Wahrhaftigkeit von Text als Attraktivitäts-Marker. Ein interessanter Gedanke, oder? Klar, wir finden auch Geschichten toll, in denen Fabelwesen oder Roboter die Hauptrollen spielen, hier geht es nicht darum, ob diese Geschichte sich wohl wirklich zugetragen hat. Aber konsistent muss sie sein, wir möchten den Figuren ihre Intention glauben können, sie sollen sich in einem vorstellbaren Rahmen bewegen. Und dann gibt es ja auch noch die Texte, die mit dem Label „biographisch“ daherkommen…

Wann fesseln uns Geschichten? Das ist sicher sehr individuell und auch davon abhängig, ob sie gut geschrieben beziehungsweise gut gemacht sind. Aber ein Freund erklärte mir letztens: Die sprachliche Seite am Text sei in bestimmten Sachverhalten nachrangig (nicht unwichtig!), nämlich dann, wenn er das Gefühl habe, die erzählte Geschichte sei wahrhaftig. Wenn die Intentionen und Handlungsmuster glaubhaft scheinen, er das Gefühl hat, die Geschichte könnte wirklich so passiert sein.

Ich finde das sehr interessant, denn Geschichten, die wir erzählen, werden ja gern mal „aufgemotzt“, ein bisschen angefüttert, geschönt. Meine auch. Und auch, wenn ich sehr nah bei der Wahrheit bleibe, habe ich es schon erlebt, dass mir nicht geglaubt wird. Gerne von Menschen, deren Lebenswirklichkeit sehr weit weg von meiner eigenen ist.

Wann ist die Geschichte wahr?

Geschichten und Anekdoten, die wir teilen, werden gern mal in die Schublade „erstunken und erlogen“ einsortiert – Beispiele dafür gibt es reichlich, da braucht man nur mal durch Twitter zu scrollen und sich anschauen, welche Tweets mit dem Label „Paulanergarten“ versehen werden.

Was ich mir nicht vorstellen kann, kann auch niemand anderem passiert sein, so scheint mir der übliche Sortierungs-Vorgang zu sein. Wird eine Botschaft, der ich nicht zustimme, in einer Geschichte transportiert, so kann mein erster Impuls sein: Das ist doch nur ausgedacht!

Ist mir auch schon passiert, in verschiedenen Variationen. Mein Junior hat mit zwei Jahren schon komplexe Ausdrücke korrekt verwendet? Kann nicht stimmen, weil Gabis Sohn das in dem Alter noch nicht konnte.

Und erst letztens wurde mir vorgeworfen, ich hätte einen meiner Newsletter-Texte von CHatGPT schreiben lassen, „blöd, dass man das merke“… Na ja, der Text war von mir – alle Texter*innen in meinem Netzwerk hat dieser Vorwurf auch sehr amüsiert. Aber was hängenbleibt ist doch: Formulieren wir klar und logisch, dann geraten wir unter Verdacht, wir hätten den Text generieren lassen. Verrückt, oder?

Gerade in einer Zeit, in der Missinformation überall zu finden ist und ja auch gezielt verbreitet wird, liegt dieser Impuls ja auch nah. Die Informationen als falsch kategorisieren, wenn sie uns nicht glaubhaft erscheinen. Man macht es sich nur leider ein bisschen zu leicht damit, denn es gibt viele Dinge, die ich mir nicht vorstellen kann, die aber trotzdem passieren.

Es ist eine merkwürdige Welt, in der Geschichten als Marketingstrategie genutzt werden und dadurch grundsätzlich einen anrüchigen Beigeschmack bekommen. Die Wirkung von Geschichten wird strategisch angewendet, daher lauert hinter jeder Story erstmal der Verdacht: „Wir werden manipuliert!“

Authentisch – ein ausgelutschter Begriff

Was ist gestellt, was ist geschönt, was ist ausgedacht? Wie viele Versuche hat es gebraucht, das „perfekte“ Insta-Bild zu schießen, wie viel Tonnen Make-up waren nötig und wie viele Filter liegen darüber?

Woran merken wir, dass ein Bild „authentisch“ ist oder ein Text? Wann kaufen wir die (Selbst-)Darstellung ab, wann labeln wir sie als „gekünstelt“? Es ist ein schmaler Grat zwischen all den „Vorbildern“ und Anleitungen wie es wohl am besten geht. Und zwischen verschiedenen Intentionen und Zielen, die verfolgt werden.

Ich für meinen Teil glaube, den Eindruck von Wahrhaftigkeit erzeugen wir, wenn wir über einen längeren Zeitraum ein konstantes Bild von uns zeigen. Das muss nicht vollständig sein, es muss nicht bis ins Detail (oder eben in die tiefsten privaten Sphären) gehen, aber es wird glaubhaft dadurch, dass es in sich stimmig ist.

Menschen können uns einschätzen, wenn wir über eine längere Zeitspanne Geschichten erzählen, die zueinander passen. Mir war es immer zu anstrengend, mich zu verstellen, daher fiel mir auch das Konzept meiner Online-Persönlichkeit nicht sonderlich schwer. Und belohnt wurde ich mit Feedback wie diesem:

„Das Wort Authentizität ist leider von vielen Marketing-Leuten schon arg strapaziert worden, ohne dass sie es leben! Bei Dir spüre ich dies jedoch. Du bist mir auf jeden Fall ein Vorbild im Sinne von: „So bin ich, das vertrete ich, und ich verbiege mich nicht, um jemandem zu gefallen.“ Hut ab, aus tiefstem Herzen.“

Susanne Dahl in einem Kommentar auf meinem Hauptblog (lies gern rein)

Wann haben wir das Gefühl, Menschen einschätzen zu können?

Also: Es geht um Konsistenz in der Darstellung. Dabei schadet es auch nicht, wenn Themen und Meinungen sich wiederholen. Das bekräftigt nämlich nur: Ich hab mir das nicht ausgedacht, sondern meine es wirklich so.

Wenn Geschichten und Hintergrund zusammenpassen, wir eine Haltung aus Text wie auch aus Bild herauslesen können, dann fällt es leichter, den Eindruck als wahrhaftig einzusortieren. Menschen haben dann das Gefühl, sie kennen uns – zumindest in dem Rahmen, den sie bereits wahrgenommen haben.

Bei Texten ist es oft schwieriger, das Wahrhaftige zu glauben – bei Erzählungen unterstützt die Stimme noch zusätzlich, ob uns der Mensch glaubhaft erscheint. Daher empfehle ich meinen Mentees immer: Schreibt nicht nur über eure Themen, sondern darüber, was euch daran fesselt, was euch bewegt, wie ihr dazu steht. Und das über einen längeren Zeitraum, sehr konsistent. Dann ist die Chance größer, dass ihr von mehr Menschen als in die Wahrhaftigkeits-Schublade gesteckt werden.

Und das erhöht wiederum den Attraktivitäts-Grad der Texte. Menschen bleiben dann länger bei euch, wenn das gezeigte Bild attraktiv und glaubwürdig für sie ist.

Lass mir gern deinen Gedanken zu diesem komplexen Thema hier! Wenn du die Kommentar-Funktion hier auf dem Blog liest, bleibt dein kluger Gedanke für einen längeren Zeitraum auffindbar für Menschen, die diesen Text lesen. Viel besser als in Social Media 😉

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