Gestern Abend, kurz vorm Einschlafen, schon fast im Dämmerzustand, hatte ich eine tolle Idee für einen Artikel. Ich weiß noch, dass ich den Text schon grob im Kopf skizzierte, mir ein paar kleine Storys zurechtlegte, die ich einpflegen könnte. Und dann dachte ich noch kurz: Sollte ich mir diese Idee nicht aufschreiben?

Aber jetzt noch einmal wacher zu werden, mich umzudrehen, eine Notiz zu machen… Das erschien mir sehr anstrengend und mühsam. Ich entschied mich also dagegen, denn so eine brillante Idee würde ich doch nicht vergessen. Sicher würde ich am nächsten Morgen mit der Idee im Kopf aufwachen und könnte sie dann beim ersten Kaffee schreiben.

Du kannst dir sicher denken, was passiert ist? Seit einer halben Stunde sitze ich hier und versuche zu rekonstruieren, worüber ich da gestern Nacht nachgedacht habe. Welche unglaubliche Idee mir da gekommen war. Ich weiß noch, wie attraktiv ich es fand, sie zu schreiben und wie attraktiv ich sie auch für meine Leser*innen hielt.

Aber jetzt scheint es mir, als sei die Idee weg. Mein Gehirn fand sie wohl doch nicht so brillant, dass es sie hätte speichern müssen. Tja. Das Gute daran: Vermutlich hat mein Gehirn recht und die Idee war eine Idee von vielen. Es wird nichts passieren, wenn ich sie heute nicht schreibe und die Welt wird nicht untergehen, selbst wenn ich sie nie schreibe.

Die Ideen von heute und ihre Haltbarkeit

Es gibt Menschen, die haben in jedem Raum einen Notizblock und einen Stift herumliegen, damit sie sich ihre großartigen Ideen sofort aufschreiben können. Auf diese Weise gehen die Heureka-Momente nicht verloren, man hat sie konserviert und kann sie durchdenken, die Ideen weiterverfolgen.

Ich habe eine Ideenliste für meinen Blog, denn ich gehe mit meiner Content-Brille durch die Welt und finde grundsätzlich an fast jedem Gedanken, auf dem ich länger herumdenke, etwas Erzählenswertes. Aber diese Ideen-Liste ist lang und viele dieser Themen liegen da schon seit Jahren. Ich habe sie nie geschrieben.

Was ist also mit all den tollen Gedanken und Ideen, die nie umgesetzt werden? Die Scanner-Persönlichkeiten haben sie vielleicht in ihr großes Konzept-Buch geschrieben, weil sie das bei Barbara Sher gelesen haben. Andere gehen ihre Liste vielleicht ab und zu durch, wenn sie Inspiration suchen.

Aber wenn eine Idee oder ein Thema schon seit Jahren unbearbeitet auf der Liste steht… Dann muss es doch eh gänzlich neu gedacht werden, oder? Denn dann haben wir uns verändert, unsere Sicht auf die Welt, auf das Thema – wäre doch schlimm, wenn nicht. Also ist die Idee von damals nicht mehr so Heureka-mäßig aufgeladen. Das ist jedenfalls bei mir so.

Klar, wenn ich strategisch blogge, dann kann ich jedes Thema nachrecherchieren und so schreiben, wie es gerade passt. Aber wenn ich spontan und intuitiv blogge, dann funktioniert das nicht. Dann ist der Moment des Schreibens nach kurzer Zeit vorbei, dann brauche ich einen neuen Zugang dazu, muss die Idee noch mal haben. Sonst ist sie nicht mehr attraktiv.

Loslassen

Was passiert also, wenn ich meine Ideen nicht aufschreibe? Wenn ich sie nicht weiterdenke, nicht in Worte fasse, nicht mit Geschichten anreichere? Und auch nicht als losen Gedanken auf meine Themen-Liste schreibe?

Ich denke, es passiert gar nichts. Denn egal, wie brillant meine Idee gestern Nacht auch war: sie hat es nicht über den Status „Idee“ hinausgebracht. Dafür habe ich jetzt diesen Text über das Loslassen geschrieben. Auch nicht schlecht. Und diese Gedanken hätte ich doch vielleicht nie gehabt, wenn ich mich an das Thema von gestern Nacht drangesetzt hätte.

Was auch immer passiert: Etwas zu tun ist auch immer eine Entscheidung gegen etwas anderes. Und andersherum: Eine nicht gesicherte Idee gibt dem nächsten Gedanken vielleicht genau den Platz, den er braucht. Ohne hätte, wenn und aber.

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