„Hach ja, das habe ich früher auch gern gemacht!“, „Ah, wie schön, da wird man ja glatt nostalgisch!“ – manchmal denke ich: Nicht nostalgisch genug. Nicht schön genug. Denn egal, worum es gerade geht, es liegt doch an uns, ob wir diese schönen Dinge tun oder nicht.

Ich schreibe einen Brief. Von Hand. Mit Füller. Und das erscheint mir sehr besonders, habe das seit Jahren nicht getan. Warum eigentlich nicht, frage ich mich dann, und poste meine besondere Tagesaufgabe auf Mastodon. Geschrieben mit einer Tastatur, super schnell, sofort erscheint der kleine Text und sofort können Menschen darauf reagieren, mir antworten. So sind wir es gewohnt, die kleinen Sternchen kommen schnell, es pingt und pongt.

Mein Brief wird heute irgendwann losgeschickt, dann braucht er ein, zwei Tage, bis er ankommt. Und dann dauert es vielleicht eine Woche oder mehr, bis ich eine Antwort bekomme. Vielleicht bekomme ich auch gar keine Antwort. Vielleicht kommt mein Brief gar nicht an und ich werde es nie erfahren, weil die Kommunikation mit meinem „Brieffreund“ auf diesen Kanal begrenzt ist?

Und trotzdem gehe ich das Risiko ein. Weils schön ist. Und weil ich ganz sicher Dinge erleben werde, die ich über Mail, Messenger oder Sprachnachrichten nicht erleben werde.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Ich sehe dieses Schreiben nicht als To-do an, sondern als Möglichkeit, einen Kontakt völlig anders aufzubauen, als ich es gewohnt bin. Schreibe ich auf Papier, statt auf meinem Laptop, lasse ich mir mehr Zeit, um meine Gedanken zu entwickeln. Ich kann ja nicht mal eben schnell alles wieder löschen und von vorn anfangen – will ich auch gar nicht.

Und ich habe auch keinen Nachrichten-Verlauf, es sei denn, ich dokumentiere meine eigenen Briefe (als Foto? Als Kopie? Als Scan?). Natürlich mache ich das nicht. Ich werde mir merken, was ich geschrieben habe und ich werde es merken anhand der Antwort, die (hoffentlich) kommt. Wie aufregend!

Während ich also überlege, welche Geschichten ich schreibe und in einem Umschlag verschicke, denke ich darüber nach, warum wir das nicht mehr (so oft) machen. Sind wir zu ungeduldig? Zu beschäftigt? Zu müde?

Wenn wir aufhören, Dinge zu tun

Früher hatte ich Brieffreundinnen. Das waren meist Mädchen, die ich im Urlaub kennengelernt hatte und mit denen ich gern in Kontakt bleiben wollte. Diese Kontakte brachen irgendwann ab – die Intervalle, in denen wir schrieben, wurden größer, irgendwann hörte es auf. Eigentlich keine Erfahrung, die mich dazu motiviert, wieder Brieffreundschaften zu unterhalten.

Aber diese „Freundschaften“ gingen in einer Zeit auseinander, als ich mitten in der Pubertät steckte. Wo man eh mehr mit sich als mit anderen zu tun hat, mit Themen und Veränderungen beschäftigt ist, die man vielleicht lieber mit der besten Freundin vor Ort bespricht. Eine Zeit, in der es so viel zu verpassen gibt, wenn man nicht direkt dabei ist, wenn man nur Bruchstücke aus dem Leben zu sehen, also zu lesen, bekommt.

Es ist okay, dass diese Brieffreundschaften endeten. Es endeten auch Freundschaften, die ich hier in Bielefeld pflegte. Es ist einfach eine Frage, wie sehr man sich verändert und wo die Prioritäten liegen. Und damit bin ich wieder am Anfang.

Was machst du viel zu selten?

Früher habe ich Briefe geschrieben. Gemalt. War nachts spontan im Park oder im Freibad (pssst!). Habe nächtelang auf dem Balkon gesessen (okay, das wird schwierig, wenn ich das wieder einführen möchte, brauche ich jemanden mit Balkon ^^). Ich habe Mixtapes aufgenommen oder sogar ganze „Radio-Shows“ aufgezeichnet mit Mikrofon und Kassettenrekorder.

Klar, früher. Da hatte man noch Zeit, sagst du jetzt vielleicht. Aber letztlich haben wir doch gar nicht weniger Zeit. Wir haben nur die Idee in den Kopf gepflanzt bekommen, dass alles, was wir tun, irgendwelchen Produktivitäts-Kriterien entsprechen muss. Dass es weniger anstrengend ist, eine Stunde lang auf Social Media rumzudaddeln, als ein Buch (oder einen Füller!) in die Hand zu nehmen.

Wenn wir sagen „Oh, wie schön! Das machen wir wirklich viel zu selten!“, dann ist doch der erste Schritt schon getan. Der Gedanke ist im Kopf: Das möchte ich wieder mal machen. Und in diesem, meinem Fall kann daraus vielleicht sogar Verbindung entstehen. Wer weiß.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

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