Ich habe einen Termin bei meiner Kosmetikerin vergessen. Als ich es bemerkte, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Nein, ich hatte nicht nur ein schlechtes Gewissen, es ging mir wirklich schlecht deswegen. Als ich anrief, um einen neuen Termin zu machen, war ich total geknickt, weil ich es selbst so sehr hasse, wenn jemand Termine nicht einhält. Ich bekam einen spontanen Nachhol-Termin am Donnerstag – und kaufte Pralinen, um mich nochmals zu entschuldigen.
„Das wäre aber echt nicht nötig gewesen“, sagte sie, aber für mich war es das. Wenn man Termine beim Friseur oder Kosmetiker macht, dann halten die sich ne Stunde frei. Und wenn du nicht auftauchst, können sie diese Zeit meist nicht anders füllen, das ist ein Ausfall und es ist deine Schuld. Hättest du wenigstens abgesagt, könnten sie es noch versuchen, die Zeit anderweitig zu vergeben, aber so…
In diesem speziellen Fall konnte ich nicht absagen, denn ich hatte es wirklich vergessen. Irgendwo hatte ich mir den Termin notiert, das weiß ich, aber dann nicht in meine Kalender übertragen. Und dann: Aus den Augen, aus dem Sinn. Das ist schlimm, keine Frage. Aber so etwas passiert mir so gut wie nie. Hat vielleicht mit meinem vollen Kopf zu tun und dem Overload, der mich auch nicht schlafen lässt. Trotzdem: So etwas geht gar nicht.
Was bei meiner Kosmetikerin noch dazukommt und mein schlechtes Gewissen verstärkt: Die haben Miete für ihren Laden zu zahlen, das Material, die Ausrüstung und so weiter. Das habe ich nicht. Wenn bei mir jemand einen Termin platzen lässt, dann kann ich meistens sogar irgendetwas anderes tun in der Zeit, mir geht zumindest nicht der volle geblockte Zeitraum verloren.
Bei Menschen wie dir passiert das meistens nur einmal
Ich hatte also die Pralinen und mir war es wichtig, mich anständig zu entschuldigen. Wir redeten darüber, wie oft Termine platzten, weil Kund*innen einfach nicht auftauchen. Und dass es sogar welche gibt, bei denen das regelmäßig passiert. Kommen einfach nicht, kein Wort, kein Anruf, keine Entschuldigung. Und dann, ein paar Wochen später, das gleiche Spiel.
Da wurde mir erst wieder so richtig bewusst, wie privilegiert ich bin. Ich selbst würde mit solchen Leuten nicht länger zusammenarbeiten. Sollen die sich doch eine andere Dienstleisterin oder Beraterin suchen. Aber diese kleinen Geschäfte in den Nebenstraßen, wo nicht mal ständig Laufkundschaft vorbeikommt und die Angebote im Schaufenster sieht, die können nicht zu jedem und jeder Nein sagen.
Aber meine Kosmetikerin lachte über mein zerknirschtes Auftreten. Sie meinte, bei Menschen wie mir würde das meist nur ein einziges Mal passieren und dass ich jetzt immer doppelt und dreifach prüfen würde, ob ich den Termin auch richtig eingetragen hatte.
Klar, ich hatte meine beiden Kalender dabei und habe, als wir die zwei nächsten Termine ausmachten, mehrfach nachgefragt und mir die Daten bestätigen lassen. Es kann immer etwas sein, aber gerade in der heutigen Zeit ist ein Anruf das Mindeste, was man tun kann, wenn etwas dazwischenkommt.
Und wenn man etwas wirklich vergisst, dann kann man sich entschuldigen. Das geht aber natürlich nur, wenn man das Gefühl hat, es gäbe etwas zu entschuldigen. Und da hakt es meiner Meinung nach leider zu oft: Die Menschen denken, es sei egal und sie könnten mit der Zeit und den Ressourcen anderer Leute umspringen wie sie wollen.
Ich bin jedenfalls sehr, sehr froh, dass meine Entschuldigung angenommen wurde. Mein Gewissen ist zwar nicht rein, aber doch sehr viel leichter jetzt…
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3 Antworten
Es ist so menschlich, etwas zu vergessen. Gut, weil eben nicht mehr normal, dein Umgang damit. 🙂
Ja, vielleicht menschlich. Aber für mich wirklich nur schwer zu ertragen – weil ich dieses Gefühl, vergessen zu werden, leider zu gut kenne. Und daher ging es mir auch so schlecht, als ich bemerkt hatte, dass ich es einfach vergessen hatte, obwohl die Kosmetikerin das gar nicht so schlimm fand. Vielleicht bin ich da ein bisschen verrückt 🙂
Nein, ganz sicher nicht verrückt. Ganz im Gegenteil. Mehr davon in dieser Welt bitte. Über Gefühle anderer nachdenken.
Ich bin da vielleicht ähnlich gestrickt. mache mir auch oft mehr Gedanken als der/die Gegenüber erwartet hätten. Trotzdem aus meiner Sicht besser als abgestumpft zu sein.