„Bei mir gibt es auch im Homeoffice einen Dresscode. Für mich ist es egal, ob ich in der Redaktion oder zuhause arbeite, das gibt Struktur.“ Okay, dachte ich mir, als mir das neulich ein Bekannter erzählte. Wenn das für dich so ist, dann musst du das halt so machen. Als ich dann aber erzählte, dass ich auch mal bis mittags im Schlafanzug arbeite, wenn ich keine Termine habe, und auch mal vom Bett aus meine Artikel schreibe, da meinte er nur: „Du bist also undiszipliniert.“

Leute, wir müssen mit diesen Wertungen aufhören. Wäre ich undiszipliniert, würde ich schon lange nicht mehr tun, was ich tue. Ich manage ein Leben, das sehr, sehr voll ist. Ohne Disziplin würde ich das nicht schaffen, definitiv nicht. Es ist einfach nur so: Mir ist es völlig egal, ob ich ein Kostüm, Jeans, einen Schlafanzug oder gar nichts trage. Für meine Kreativität und meine Arbeitsleitung ist das nicht von Belang. Wenn ich Termine habe, ziehe ich mich an, wenn nicht, entscheide ich spontan und ja, im Zweifel eher für einen super gechillten Kaffee als dafür, mich in meine Kleidung zu werfen.

Für mich ist es auch nicht wichtig, morgens mein Bett zu machen, denn es ist mir völlig egal, wie es über den Tag aussieht und auch dann, wenn ich mich hineinlege. Da wurde mir auch schon mal vorgeworfen, das sei ein Zeichen von Schlampigkeit, so könne man doch nicht arbeiten! Und wir wissen ja, dass die wirklich erfolgreichen Menschen morgens als erstes ihr Bett machen, denn dann haben sie die erste Aufgabe sofort erledigt.

Nun mag das für einige Menschen wichtig sein, das sehe ich ein. Für mich aber nicht. Und nein, das ist kein Zeichen dafür, dass ich undiszipliniert bin. Ich denke einfach nur anders. Und ich lebe anders. Teile meines Lebens sind ganz sicher chaotisch, das liegt aber nicht daran, dass ich verwahrlose oder es einfach nicht auf die Reihe kriege, sondern daran, dass ich so kreativ bin. Und das ist keine Entschuldigung für Unordnung, sondern für mich die Möglichkeit, in meinen Gedanken zu springen und neue Impulse in den Schaffensprozess einzubeziehen.

Es ist alles gut. Auch wenn um sich mich herum Bücher, Notizen, Kaffeetassen, gesammelte Kastanien und Kunstwerke von Junior stapeln. Und es ist auch alles gut, wenn ich die ersten Texte des Tages im Schlafanzug schreibe.

Fokus

Wenn ich Fokus brauche, dann schaffe ich ihn mir. Aber nicht im Außen, sondern im Innen. Und auch, indem ich Begegnungen meide mit Menschen, die mir zu eingleisig denken, sprechen und sich selbst und auch die Gespräche dadurch beschränken. Es ist doch erstaunlich, dass ich bei Aussagen von anderen, die ich nicht so gut auf meine Welt übertragen kann, sage: „Interessant, wie du das machst!“, während andere in dieser Situation sagen: „Du bist also soundso…“

Also ich weiß, ich wiederhole mich, aber trotzdem noch mal dies: Wir sind alle unterschiedlich. Und das ist großartig! Manche Verhaltensweisen und Denkweisen verstehen wir, andere nicht. Das ist okay so. Aber selbst wenn das so ist, ist es nicht hilfreich, dem anderen ein Label aufzukleben, vor allem dann nicht, wenn man sich doch gar nicht richtig kennt.

Ich lasse jetzt also weiter die gehen, die nicht zu mir passen, gedanklich, sprachlich, thematisch. Auch das ist Fokus. Und der tut gut – auch im Schlafanzug übrigens.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

8 Antworten

  1. Mein Arbeitgeber legt schon Wert auf Dresscode, sofern es sich um Präsenztermine handelt. Beim HO gilt aber für mich „Hauptsache, ich fühle mich wohl“. Das ist dann meistens der Jogger und irgendein T-Shirt.
    Viel wichtiger als mein Outfit ist mir der Arbeitsplatz. Da brauche ich klare Grenzen, im HO eben einen dedizierten Tisch, und eine Struktur. Wenn ich mich nicht blind auf meinem (Schreib-)Tisch zurecht finde, ist was falsch. Da kann der auch voll sein, aber eben sortiert.
    (Im Jogger geschrieben 😀 )

    • Ja, wenn ich Präsenztermine habe, kleide ich mich auch entsprechend. Je nach Kunde kann das aber auch variieren von Jeans und Pulli bis (gebügelte!) Hose und Blazer 😉

      Super, dass du für dich weißt, wie eine gute Arbeitsumgebung aussehen muss, ich habe dafür lange gebraucht. Denn ich dachte immer, ich müsste ordentlicher sein, weil das irgendwelche Aufräum- und Produktivitäts-Coaches sagen. Aber das stimmt gar nicht. Manchmal bin ich am produktivsten, wenn ich auf dem Boden in der Küche sitze zwischen Stapeln, Spielen und Kram. Es ist nur wichtig, sich darüber Gedanken zu machen 🙂

  2. Ich mag diesen Text! Wer schafft es schon, vorbehaltlos tolerant zu sein?
    Besonders diese Stelle hier beeindruckt mich : dass ich bei Aussagen von anderen, die ich nicht so gut auf meine Welt übertragen kann, sage: „Interessant, wie du das machst!“
    Danke für diesen Beitrag!
    Sabine aus dem Mausloch
    (in Jogginghose)

    • Hey Sabine, nein ich glaub das schafft niemand „immer“. Aber ich finde es wichtig, es zu versuchen. Sich selbst immer wieder zu erinnern: Weiß ich das eigentlich? Stimmt das wirklich, was ich denke? Und: Könnte es nicht auch ganz anders sein, auch wenn ich es mir grad nicht vorstellen kann? Daher mein Lieblings-Wort „interessant“ 😉

      Schön, dass du mitliest und bis bald
      Anna

  3. Egal, ob im Büro oder im Homeoffice: ich trage bequeme Kleidung. Dreißig Jahre in verschiedenen Notrufzentralen – das ist meine Realität. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der/die im Notruf im Kostümchen oder mit Anzug und Krawatte arbeiten konnte. Eine Macke habe ich, und die stammt vermutlich noch aus dem Ballettunterricht in meiner lang vergangenen Jugend: die Haare müssen aus dem Gesicht, sonst kann ich nicht arbeiten.

    • Ja, bequem ist wichtig und dass man sich wohlfühlt. Ich besitze auch „ordentliche“ (repräsentative) Kleidung, aber solche, die mich nicht behindert oder in der ich mich nicht wie ich selbst fühle. Ich bin ja in der glücklichen Lage, dass ich entscheide, für wen ich arbeite. Da kann ich so einiges lenken, auch was das angeht. Und ja, das mit den Haaren kann ich auch verstehen, ich merk das immer, wenn mein Pony zu lang wird 😀

  4. Ha, situationsbedingt kleiden. Genau meine Einstellung. Wieso soll also eine Hülle von mir (Kleidung) über mein Inneres (Gedanken, Fokus, Probleme) entscheiden? Wenn ich Probleme wälze, wird mir ein Anzug auch nicht bei der Lösung helfen. Natürlich hat eine Äußerlichkeit nicht pauschal mit Disziplin oder auch nicht zu tun. Viel wichtiger ist doch, seine Lebensschwerpunkte zu wichten und sich da dann diszipliniert (was auch immer das beinhaltet) zu verhalten. Diese Wichtung legt aber jeder für sich fest. Jedes Leben ist anders. Insofern bin ich (mal wieder) ziemlich einig mit dir.

    (in Shorts und übergroßen Stricksocken gesendet) 🙂

    • Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass es Menschen gibt, die eine andere Haltung einnehmen, wenn sie einen Anzug tragen und eben jeden Morgen zur gleichen Zeit ins Büro fahren. Die machen das dann vielleicht gern auch im HO so, um dieses Gefühl, diese Haltung zu stärken. Bloß ist das eben nicht für alle so, das war mir wichtig. Und ich liebe es, dass so viele Jogginghosen-Verteidiger meinen Beitrag lesen und ich schon auf mehreren Wegen Rückmeldungen bekommen habe 🙂

      Was die Prioritäten angeht, bin ich also ganz bei dir – wir müssen uns selbst gut kennen und danach leben, es aber eben nicht auf andere übertragen…

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