Eine total zerlöcherte Hose habe ich in der vergangenen Woche in die Mülltonne gestopft. Kurz bevor der Müll abgeholt wurde, damit sie dann auch wirklich weg ist. Unwiederbringlich. Ich mochte diese Hose, daher habe ich sie ja auch oft getragen und daher ist sie auch so kaputt. Man könnte sagen: Sie hat ihren Zweck erfüllt und deswegen ist es auch okay, dass ich sie wegschmeiße. Aber nicht mal in diesem Zustand ist das leicht für mich. Es gibt eben Verhaltensweisen und Denkweisen, die kannst du nicht mal eben so abstellen. Und das Schlimme ist: Ich habe sie an Junior weitergegeben.

Ich glaube, so ganz deutlich habe ich das nur an wenigen Stellen aufgeschrieben, aber Junior und ich haben seine ersten Lebensjahre von fast nichts gelebt. Ich weiß noch, wie ich an einem Abend total verärgert war über mich selbst, weil ich in all dem Stress damals vergessen hatte, die entliehenen CDs zur Stadtbibliothek zurückzubringen. Ich musste also eine Strafgebühr zahlen, ich glaub, das waren 9 Euro oder so. Und ich wusste: Die würden mir an anderer Stelle fehlen.

Wenn Junior und ich unterwegs waren, gab es schon auch mal nen Snack, aber ich rechnete jede Ausgabe im Kopf mit, hatte immer meinen Kontostand ganz klar vor Augen, denn ich checkte ihn manchmal mehrmals am Tag. Und ich sparte vor allem an mir selbst, nicht an Junior. Es ging immer irgendwie, ich bin es ja seit meiner eigenen Kindheit gewohnt, mit wenig Geld auszukommen. Geld war immer ein Thema.

Jetzt ist es nicht mehr knapp, ich habe diese Selbstständigkeit so weit gebracht, dass sie uns gut trägt. Alle Schulden sind bezahlt, mein Notgroschen-Konto ist gut gefüllt und auch die anderen Konten sehen seit langer Zeit gut aus. Ich müsste sie also nicht mehr ständig checken. Eigentlich.

Denn wenn Geld immer ein Thema war und du schon als Kind erlebt hast, wie Autos auf einmal mit Parkkrallen versehen waren oder du selbst das Geld für die Miete von deinem Kinder-Sparbuch auslegen musstest, dann geht dieser Gedanke nicht einfach weg. Er schwingt immer mit, nimmt Raum ein, ständig checke ich Ausgaben, obwohl ich doch weiß: Alles ist gut.

Und während ich mit mir kämpfe, mir die Gedanken ausrede, dass die nächste Katastrophe bestimmt bald kommen wird und ich meine Konten dann wieder leere, habe ich nicht bemerkt, wie sehr Junior mein Verhalten übernommen hat.

Als wir neulich in Hamburg waren, gab es Gesprächsthemen wie Hafenrundfahrten und teure Fischbrötchen (und unbezahlbare Krabbenbrötchen). Und während wir so durch die Stadt latschten, fragte Junior bei jeder anstehenden Ausgabe, wie teuer das denn wohl werden würde.

Ich selbst hatte gar nicht so genau hingehört, für mich waren die Fragen normal. Aber wir waren ja nicht allein unterwegs und da fiel es auf, wurde sogar thematisiert. Und auf die Frage, warum er immer so genau wissen wolle, wie viel Geld dies und das wohl koste, sagte er nur, es würde ihn halt interessieren. Verständlich.

Ich aber wusste, dass er nicht anders kann, als mitzurechnen. Er hat sich genauso eingeschränkt wie ich über die Jahre, auch wenn ich versucht habe, ihm alles zu ermöglichen, was er brauchte (und auch viele Dinge, die er nicht brauchte, aber gern haben wollte). Ist das jetzt schon Prägung? Unwiderruflich festgesetzt?

Fragt man Junior heute, was er sich zum Geburtstag wünscht, dann sagt er: „Na ja, ein Buch vielleicht oder eine Was-ist-was-CD, die ich noch nicht habe.“ Aber eigentlich hat er keine großen Wünsche, was Konsum betrifft. Und ich frage mich, ob das so gut ist.

Bloß: Ich könnte es jetzt vermutlich eh nicht mehr ändern. Und etwas anderes vorleben geht auch nicht, denn bloß, weil die Konten jetzt gut aussehen, leben wir trotzdem nicht in Saus und Braus, warum auch?

Ich hätte nur gern vermieden, dass Junior dieses Gefühl von Unsicherheit und Mangel von mir übernimmt. Das ist nämlich wirklich nicht schön. Nicht nur, dass ich ständig auf Katastrophen warte, nein, ich kann nicht mal Geschenke wegwerfen, die ich nicht brauche. Und davon haben sich über die Jahre echt viele angesammelt. Lieb gemeint, aber sie verstopfen meinen Kopf und meine Wohnung. Ich bringe es aber nicht fertig, sie zu entsorgen. Denn vielleicht werden sie ja doch noch mal gebraucht.

Anstrengend, ich weiß. Aber für mich wirklich schwer zu ändern. Vielleicht ist es für Junior noch nicht zu spät.

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