Silvester habe ich darüber geschrieben, dass ich das Zurückschauen aufs Jahr nicht mag, das stimmt auch. Aber wie ich schon im Podcast erzählte: Es gibt immer mehrere Blickwinkel auf Erlebnisse und Geschichten, daher schließen sich manche Gegensätze nur scheinbar wirklich aus. Auch für Jahresrückblicke gilt das. Ja, ich mag das Zurückschauen nicht, weil so vieles sich nicht fertig anfühlt. Aber weil sich ja Geschichten zu jedem beliebigen Zeitpunkt erzählen lassen, kann man ja über lose Enden und offene Prozesse schreiben. In kleinen Puzzleteilen. Das habe ich getan.

Schon 2022 habe ich einen Jahresrückblick geschrieben, drüben auf meinem Hauptblog. Aber ich habe keinen epischen Rückblick mit zig wilden Erfolgsgeschichten geschrieben, sondern 100 Fragmente, kleinere und größere Dinge, die mir in diesem Jahr begegnet sind. Denn oft sind es doch die kleinen Dinge, die ein Leben füllen, oder? Und das habe ich auch jetzt für 2023 getan. Dabei habe ich festgestellt: Es ist kein Wunder, wenn sich ein Leben voll anfühlt, denn meistens ist es dann einfach so. Das Leben ist voll von „Dingen“, Menschen, Begegnungen, Entscheidungen, Schauplätzen, To-dos, Alltag und Zauberei.

[Wenn du wissen willst, womit mein Jahr so gefüllt war, kannst du es hier nachlesen: 100 Dinge, die mein Jahr 2023 ausmachten]

Gedanken und Gefühle verbloggen

Ich saß also da und merkte, dass Januar ist. An Neujahr hatte ich das nicht mitbekommen, es fühlte sich nicht so an. Und auch am 2. Januar war ich noch nicht angekommen in diesem neuen Abschnitt, der mit so viel Lärm eingeläutet worden war (vom Licht hatte ich nicht viel mitbekommen, wohl aber vom Knallen). Aber dann sickerte es zu mir durch: Überall diese Neujahrs-Meldungen, frohe Wünsche und gute Gedanken. Und was macht mein Gehirn? Es macht eine Bilanz.

Während ich halb wach noch meinen Kaffee schlürfte, machte es eine Bilanz. Was hatte ich erlebt, was nicht, was hatte ich geschafft, was nicht, wen hatte ich getroffen, wen nicht… und so weiter. Und mir kamen all die guten und schlechten Gefühle wieder hoch, die ich vor allem im Sommer gehabt hatte. Nach einem kurzen Austausch mit einem Freund bestätigte sich dann mein Eindruck: Eigentlich muss ich es doch aufschreiben. Damit ich draufschauen kann und sehe: Es war nicht alles schlecht. Es war nur voll.

Jetzt fühlt es sich nicht anders an; ich bin voll mit Gedanken und Gefühlen (klar, wo sollen sie auch hingegangen sein?). Aber sie haben jetzt eine festere Form, lassen sich betrachten, von mehreren Seiten. Denn es gibt immer mehrere Seiten.

Geschrieben und gelesen

Wenn ich meine eigenen Texte lese, dann kann ich mit Abstand draufschauen. Ich kann meine eigenen Gedanken neu denken, neu erfassen. Ich kann testen, wie sie klingen, wenn ich sie lese, leise und laut. Kann testen, wie es sich anhört, wenn ich einzelne Wörter oder Sätze ändere.

Und ich kann sie teilen. Habe ich auch gemacht. Erste Rückmeldungen: Ganz anders als mein Empfinden. Meine Gefühle und meine Perspektive sind eben nur meine. Wie das für einzelne Personen in meinem Umfeld wirkt, ist ne ganz andere Sache.

Je nachdem, wer mir was dazu sagt oder schreibt, kommen unterschiedliche Deutungen und Eindrücke zu mir, sie fügen meinen Gedanken eine weitere Ebene hinzu. Ein Freund schreibt:

„Man merkt, dass du einiges an Zweifel hattest, aber da ist auch soooooo viel Tolles drin!“

Das stimmt. Es ist immer die Frage, mit welcher Brille man draufschaut. Ich kann die Zweifel lesen, die Kämpfe, die Verzweiflung (die steht da nicht drin, ich spüre sie aber). Ich kann aber auch die Erfolge lesen, die tollen Projekte, die Erweiterung meiner Welt, meines Themenspektrums, meines Netzwerks. Ich kann Verlust lesen, aber auch Liebe, beides steckt drin. Letztlich sogar in allen Lebensbereichen.

Fragmente, keine Geschichten

Ich hatte schon mal an anderer Stelle darüber geschrieben, dass es einen besonderen Effekt hat, wenn man Dinge nicht auserzählt, Informationen weglässt und Beschreibungen verkürzt: Was ungesagt bleibt. Es führt dazu, dass die Leerstellen vom Rezipienten gefüllt werden können. Mit eigenen Bildern, mit eigenen Gefühlen und Ideen.

Meine Geschichten haben manchmal ein Ende. Mal ein glückliches, mal gehen sie aber auch nicht gut aus. In diesem Fall habe ich sie einfach nicht fertig erzählt. Es sind nur kleine Fragmente, die zwar irgendwie zu einem Ganzen gehören, die aber alle parallel ablaufen und sich gegenseitig bedingen. Es sind keine Geschichten, man kann sie aber zu Geschichten denken. Vielleicht passiert das an der einen oder anderen Stelle, vor allem bei den Leser*innen, die sich selbst im Text erkennen.

Ansonsten bleiben es Fragmente. Manche entwickeln sich weiter, manche schließe ich vielleicht ab, aus anderen werden Geschichten, die vielleicht in 10 Jahren erzählt werden. Diesen Blick mag ich. Es muss nicht abgeschlossen und eindeutig sein, auch wenn ich Klarheit schätze.

Ich schätze eben genauso das Spiel. Mit Sprache, mit Ausdruck, mit Möglichkeiten. Es könnte so sein, wie wir denken. Es könnte aber auch ganz anders sein….

Was für ein Jahr. Es war Platz für mehr als 100 Dinge.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

Keine Kommentare bislang

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert