„Männer und Frauen können nie Freunde sein. Der Sex kommt ihnen immer wieder dazwischen.“ Das wissen wir ja spätestens seit Harry und Sally. Aber ich bin da wie Sally: Vehement sage ich: „Nein, das stimmt doch gar nicht, ich habe doch männliche Freunde, auch solche, die Single sind!“ Aber es ist schon witzig, was das Umfeld damit tut, weil in den Köpfen die Schubladen sind, in die man so schnell einsortiert wird.

Junior zum Beispiel kennt mich den Großteil seines Lebens als Single. Eigentlich sollte das also der Normalzustand sein. Aber seit er umgeben ist von klassischen Familienmodellen wünscht er sich das auch für sich, für uns. Daher ist in seinen Augen jeder männliche Freund, der verfügbar ist, ein potenzieller Partner für mich. Das ist ein bisschen anstrengend, denn ich habe oft das Gefühl, ich müsse mich erklären, warum ich keine romantischen Ambitionen hege.

Immerhin möchte Junior diese Gefühlswelt gern verstehen und hat leider überhaupt keine Ahnung davon, welche Auswirkungen so ein Verliebtheits- und Zusammengehörigkeits-Gefühl auf uns haben. Kennt er nicht, will aber mitreden. Schwierig, wenn man noch nie Schmetterlinge im Bauch hatte.

Junior ist aber nicht der einzige, der sich über meine freundschaftlichen Verbindungen wundert. Auch andere Menschen in meinem näheren Umfeld wollen immer gern mehr wissen: „Wo warst du am Wochenende? Mit dem? Schon wieder? Was ist das denn zwischen euch?“ Und so weiter.

Oder sogar noch besser: „Wann lernen wir ihn denn kennen?“ Hm. Mal ganz davon abgesehen, dass das doch irgendwie Privatsache ist: Ist es denn wirklich so unvorstellbar, dass Freunde einfach eine gute Zeit zusammen haben? Ganz entspannt?

Aber nein, das geht nicht, denn: „Ihr habt doch mal gedatet!“ Ja, das ist natürlich noch schwerer nachzuvollziehen. Man findet sich körperlich attraktiv, das war der Grund für die Verbindung, machen wir uns nichts vor, ist so beim Dating. Und nun fragen sich alle: „Warum ist es nichts geworden, wenn ihr euch doch immer noch mögt?“

Tja. Vielleicht haben wir es ja geschafft, den anderen zu sehen, uns quasi neu zu verlieben, diesmal nicht in die Hülle, sondern in den Rest. Und vielleicht haben wir verstanden, dass Freundschaft die bessere Art von Verbindung ist, weil wir den anderen eben nicht in der Rolle als Partnerperson attraktiv finden, sondern in der freundschaftlichen. Klar, da muss man vielleicht mal definieren, was Freundschaft eigentlich ausmacht, ist aber schwierig, genau wie die Sache mit der Liebe.

Alles nicht so einfach in dieser Welt, in der alle glauben, als Single sei man unvollständig. Gerade bei Frauen wird das gern als Mangel angesehen, das durfte ich mir auch 2019 oft anhören, als ich so richtig im Dating-Game drin war: „Was stimmt denn nicht mit dir, dass dich keiner will?“ Dass aber ich nicht will, scheint schwer vorstellbar.

Ich sage ja gar nicht, dass ich nie wieder will, aber hey, ich habs nicht eilig. Das ist doch nichts, das man finden kann, es passiert einfach. Aber es passiert nicht, weil irgendjemand verfügbar und potenziell passend ist, sondern weils passt. Oder hab ich da was falsch verstanden?

Aber was ist nun mit den männlichen Freunden?

Die Szene in Harry und Sally geht ja noch weiter (und ja, ich weiß, dass der Film von 1989 ist, da war die Welt eine andere): Sally sagt also, sie habe eine Menge männlicher Freunde, mit denen sexuell nichts läuft. Und Harry klärt sie auf, „hast du nicht“, das glaube sie nur. Logischerweise fragt sie ihn also:

„Heißt das, ich habe Sex mit diesen Männern, ohne dass ich es weiß?“ Und dann kommt dieser Teil, der nicht sonderlich schmeichelhaft für die Männer ist, den aber sicher viele so unterschreiben würden – immer noch:

„Ich sage nur, dass sie alle gern mit dir schlafen wollen. Weil kein Mann nur mit einer Frau befreundet sein kann, die attraktiv ist. Er wird immer mit ihr schlafen wollen.“

Ich glaube, dass Männer (und Frauen übrigens auch!) manchmal sehr schlicht gestrickt sind, ja. Und ich kenne auch Menschen, die das genau so leben, wie in dem Film dargestellt: Es ergibt sich eine Gelegenheit, beide sind verfügbar, dann los!

Und wenn ich drüber nachdenke, ist mir das wirklich schon oft passiert. Da wurden aus Freundschaften oder Bekanntschaften plötzlich Gelegenheiten – nur ich hab die nicht gesehen.

Es gab männliche Freunde, immer wieder. Und es gab auch immer wieder diese unangenehmen Gespräche, wenn diese Freunde mir erklären wollten, wir würden doch eigentlich auch als Paar gut zusammenpassen. Drei dieser Verbindungen zerbrachen infolgedessen. Spricht also für Harrys Theorie, könnte man sagen.

Bloß: Es gibt auch die anderen. Die, die Verbindung als etwas sehen, für das man sich Zeit nimmt – auch ohne Sex. Weil es guttut, weil es Spaß macht, weil man sich gegenseitig inspiriert und stärkt, sich Energie gibt. Weil es zu zweit einfach besser ist als allein. Und das ohne Romantik.

Ich denke also, vielleicht braucht die Friend-Zone ein neues Image? Vielleicht ist sie die bessere Umgebung und das Ideal Partnerschaft mit rosa-rotem Anstrich ist heutzutage nicht mehr als eine Option unter vielen? Ist es nicht einfach gut, jemanden zu lieben, aber ohne dieses Hormon-Chaos, ohne diesen Stress mit „was ist das denn jetzt“?

Ja, wenn wir unterwegs sind, halten uns viele für ein Paar. Wegen der Schubladen. Das ist okay für uns, wir spielen das gern mit. Und haben weiterhin einfach eine gute Zeit. Echt nur Freundschaft.

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