Kurz vor eins ist es und Junior hängt hier noch immer rum, er liest, wahlweise ärgert er sich auch darüber, dass er nicht schlafen kann oder er verzweifelt daran. Das ist besonders schwer zu ertragen für mich, weil ich allzu gern einfach nur ausflippen möchte – keine Ressourcen, um das Kind zu trösten, weil es nicht schlafen kann. Warum ich so gereizt bin? Weil ich mich erinnere. Weil diese Situation mich erinnert an eine Phase in meinem Leben, in der ich nur auf die ein, zwei Stunden abends gesetzt hatte, die, als Junior wenigstens ganz kurz mal eingeschlafen war. Feierabend.
Er schlief eigentlich nie in den ersten zwei Jahren seines Lebens, tagsüber sowieso nicht, abends auch nicht. Nachts auch nicht. Die einzige Möglichkeit, ihn kurz zur Ruhe zu bringen, war, ihn zu tragen oder aber ihn im Kinderwagen über eine Schotterpiste zu fahren. Sobald der Weg wieder eben war oder man gar an einer Ampel stehenbleiben musste, war er wieder wach. Wenn ich ihn getragen habe, wurde er sofort wieder wach, wenn ich stehenblieb. Ich musste immer weiter laufen. Daher lief ich Kreise und Achten – immer von meinem Wohnzimmer in die Küche und zurück. Nur nicht stehenbleiben.
Aber als er etwa eineinhalb war, da gab es diese Phase, in der er kurz, für etwa 2 Stunden, allein in meinem großen Bett schlief. Es war zwar ein Kraftakt, ihn zum Einschlafen zu kriegen, aber immerhin, dann hatte ich diese 1,5 oder sogar 2 Stunden. Das war mein Feierabend. Ich hatte kaum Pausen, eigentlich gar keine, aber diese kurze Zeit war es, an die ich mich klammerte.
Mein Feierabend. Ich machte eigentlich nichts in dieser Zeit. Manchmal machte ich mir was zu essen, wenn ich es vorher nicht geschafft hatte. Manchmal schaute ich eine Serie oder versuchte, etwas zu lesen, aber mein Kopf war meistens zu müde dafür. Ich machte also nichts, aber diese Zeit war so wichtig für mich.
Immerhin hatte es auch die ganz andere Zeit gegeben, als ich 24/7 mit dem Baby wortwörtlich auf den Beinen war. Ich bin nur gelaufen oder habe kurz geschlafen, wenn Junior schlief, das ging aber nur, wenn er auf mir lag. Und ich weiß noch, wie oft ich nachts aufgestanden bin und wusste: Es wird wieder Stunden dauern, bis wir überhaupt an Schlaf denken können. Da habe ich nicht mal ansatzweise an Feierabend gedacht, auch an Essen nicht, sehr oft habe ich das weggelassen, weil es mir zu anstrengend schien.
Und heute ist es wieder so. Junior schläft nicht. Keine Ahnung, warum. Vielleicht der Film vom Abend, vielleicht geht ihm irgendwas durch den Kopf, was weiß ich. Ich weiß nur: Mein Feierabend ist keiner. Ich sitze hier und warte. Warte, dass er irgendwann zur Ruhe kommt, wie lange es auch dauern mag. Weil ich dann erst Feierabend habe.
Ich fühle mich fürchterlich, weil ich diese Situation so gar nicht angemessen begleiten kann, zu sehr hänge ich in meinen Gedanken fest und ja, ich bin sauer. Sauer darauf, dass ich das machen muss und dass ich es immer machen musste. Und dass ich an diesem Tag nicht eine einzige kleine Minute nur für mich hatte. Ferien, so schön. Es sind diese Stunden am Abend, die ich nur für mich habe. Und die nimmt er mir gerade weg.
Und bevor jetzt wieder jemand mit Tipps um die Ecke kommt…
Nein, du weißt nicht, wie es ist. Nein, es gibt kein Mittel, das ich damals nicht ausprobiert habe. Nein, es hilft nicht, wenn ich singe oder Füße massiere oder Rücken kraule. Nein, Händchen halten auch nicht und Summen und weißes Rauschen auch nicht. Danebenlegen auch nicht. Einfach nein.
Und auch heute brauche ich keine Tipps, Junior auch nicht. Denn er steigert sich lieber in eine Situation wie diese hinein, malt sich stundenlang die schlimmen Folgen dieses späten Schlafs aus, als dass er sich beruhigen möchte. Er hat sicher schon den Rest der Ferien durchgespielt und mit sich selbst all die schrecklichen Dinge diskutiert, die passieren werden, weil er heute zu wenig Schlaf bekommt. Dabei helfen ihm weder heiße Milch mit Honig, noch ein Schlaflied.
Unsere Odyssee war so lang, das kannst du dir nicht vorstellen. Denn ich dachte so lange, es wäre meine Schuld, dass dieses Kind nicht zur Ruhe kommt. Also habe ich alles ausprobiert. Erst das Gängige, dann das Abwegige wie zum Beispiel Osteopathie, dann das völlig Absurde wie Bachblüten. Du kannst dir also vorstellen, wie verzweifelt ich war. Mittlerweile weiß ich, dass nichts hilft. Nichts. Er schläft oder er schläft nicht. Es gab in seinem Leben eine einzige Nacht, in der er durchgeschlafen hat. Eine. Und das hat ihn damals sehr erschreckt.
Wenn mein Kopf so arbeiten würde wie Juniors, dann weiß ich nicht, ob ich schlafen könnte. Vielleicht also mein Glück, dass es nicht ganz so „schlimm“ ist. Aber dass wir dieses Schlaf-Thema bis heute nicht überwunden haben, ist schon heftig. Ich hatte gedacht, dass es besser werden würde, vielleicht ab dann, wenn er die Schule kommt oder so. Aber nein, er schläft weiterhin nicht.
Meistens schafft er es aber, allein einzuschlafen (denn wenn ich danebensitze dauert es nur länger – schon immer). Und dann habe ich in der Regel etwa 2 bis 3 Stunden für mich. Danach wird er wach und schläft so unruhig, dass er ständig aufsteht und irgendwas will. Aber diese 2 bis 3 Stunden – die liebe ich. Wenn es still wird, kein Hörspiel mehr, kein Gelaber. Manchmal läuft die Spülmaschine, das liebe ich, dieses leise Gluckern und Brummen.
Aber sonst nichts. Nur ich. Das fehlt mir heute und das macht mich ein bisschen wahnsinnig. Nicht schön. Aber immerhin mal wieder gebloggt. Soll ja heilsam sein.
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