Es gab eine Zeit in meinem Leben, da bin ich fast jeden Nachmittag auf dem Sofa eingeschlafen. Beim Vorlesen, neben Junior, manchmal mitten im Satz. Ich nickte immer wieder weg, konnte mich nicht konzentrieren. Das ging eine ganze Weile so und ich hatte oft den Gedanken, dass ich vielleicht nicht genug sein könnte, müsste ich doch eigentlich noch kochen, die Wäsche aufhängen und mit Junior auf den Spielplatz gehen (nicht in der Reihenfolge vielleicht). Über die Jahre wurde es besser, ich hatte wieder mehr Schlaf – vor allem nachts. Jetzt aber spüre ich sie wieder, diese Müdigkeit, die einfach nicht weggeht.

In der vergangenen Woche saß ich bei meiner Ma am Esstisch, wir unterhielten uns ein wenig, dies das. Als sie aber in die Küche ging, um den Ofen anzustellen, da fielen mir die Augen zu. Zack, weg war ich. Das war mir früher auch oft passiert, sogar während Junior da war. Hatte ich das Gefühl, dass er gut beschäftigt und gut aufgehoben ist, fielen mir die Augen zu. Am Tisch, auf dem Sofa, einfach so.

Und obwohl ich dachte, diese Phase hätte ich überwunden, geht es jetzt wieder los. Es ist nicht so, dass ich wieder das Schlafpensum von damals hätte, das waren über Jahre zwischen 4 und 5 Stunden und weit entfernt von den 7 bis 8, die ich eigentlich bräuchte. Heute schlafe ich meist zwischen 6,5 und 7,5 Stunden, das ist schon okay. Ich glaube aber, es liegt nicht an einem Defizit, sondern an dem Dauer-Druck, der gerade das Leben bestimmt. In den Momenten, in denen der Druck kurz abfällt, spüre ich die schwere Müdigkeit, die einfach nicht weggeht.

Ich bin nicht gut darin, Pause zu machen

Ist vielleicht ne Macke von mir, aber ich nehme so gut wie immer Arbeit mit in den Urlaub. Das liegt nicht nur daran, dass ich einfach überall arbeiten kann, sondern auch daran, dass ich ungern die Kontrolle abgebe. Ich mag keine Überraschungen und weiß einfach gern, was abgeht, während ich irgendwo durch die Walachei wandere oder am Strand rumliege.

Das führt aber natürlich dazu, dass ich nie ganz abschalte, obwohl ich mir auch einfach nicht vorstellen kann, wie das gehen soll – auch als Angestellte. Denn wenn ich irgendwo arbeite, dann will ich auch da wissen, wo das Team gerade steht. Selbst bei meinen Aushilfsjobs wollte ich nach wichtigen Events, die ich verpasst hatte, immer gern einen Bericht hören.

Einfach aussteigen oder ausschalten finde ich also nicht ganz einfach. Und dazu kommt der Fluss an Nachrichten und Impulsen, der ja nie endet, wenn man nicht sämtliche Apps vom Smartphone löscht oder aber es gar nicht erst mitnimmt. Das aber geht für mich genauso schlecht, denn wenn Junior nicht bei mir ist, dann möchte ich erreichbar sein.

Außerdem brauche ich zwischendurch neue Impulse, Platz für Ideen, wirre Gedanken und auch den Output in Form von Text oder Audio. Ganz abschalten ist für mich nicht nur attraktiv.

Größer gedacht: Erschöpfung nicht nur bei mir

Dann erinnerte ich mich gestern an ein Interview mit dem Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann, das ich vor einiger Zeit gelesen hatte. Hurrelmann attestierte darin der Gesellschaft eine Art posttraumatische Belastungsstörung. Klar, nicht das Krankheitsbild, sondern eher als eine Metapher für den Zustand der Gesellschaft nach den schweren Corona-Jahren und den immer noch andauernden Folgen für die einzelnen Individuen, aber auch für die Gesamtgesellschaft.

Stress, Hilflosigkeit und starke Belastung – das erkenne ich sehr wohl. Bei mir, bei meiner Familie, bei Nachbarn, engerem und weiterem Umfeld, aber auch in den Feeds, in Social Media, in der Community. Und das Problem sei, so Hurrelmann, dass uns die Pause, die wir alle jetzt eigentlich dringend bräuchten, nicht gegönnt wird. Stattdessen neue Krisen und Unsicherheiten, Ohnmachtsgefühle. Und weil das nicht mehr weggeht, erleben wir Pessimismus und eben diese große Erschöpfung.

Und nein, ich möchte das nicht alles verdrängen, weglächeln und die Welt sich selbst überlassen. Klar müssen wir aktiv werden gegen Rechtsextremismus und gegen die drohende Klimakatastrophe. Bloß ist eben die Frage, wie damit umgehen, wenn diese Müdigkeit gerade sehr viele Menschen lähmt.

Also, was tun?

Balance

Ich hatte letztens bereits darüber geschrieben, dass ich ab und zu die Welt anhalte, wenn mir alles zu schnell geht. Das ist meine Strategie im Kleinen, um mich kurzfristig zu erholen. Dann blende ich so gut es geht alles aus, was ich gerade nicht brauche. Für eine Weile sind nur die Menschen wichtig, die gerade da sind.

Aber für alles andere brauche ich eine Art Balance. Zwischen Daueronline und -offline, zwischen überwältigt von zu vielen Impulsen und Ignoranz der Gesamtsituation. Diese Dosierung zu finden, ist nicht ganz leicht, aber vielleicht lässt sie sich entwickeln, wenn ich lerne, wieder mehr auf meine Befindlichkeiten zu hören.

Also doch Timeboxing und Pomodoro für bestimmte Zeiten, abschalten für Quality-Time mit den Lieben und dazwischen den Impulsen folgen, die mich vielleicht ermüden, aber auch nicht ausschließen aus dem, was da draußen passiert. Denn einfach zu ignorieren, was da draußen passiert, halte ich für gefährlich – auch wenn es noch so viele Coaches da draußen predigen. Ich stelle für mich fest, dass aber schon die Auswahl der Plattformen einen großen Unterschied macht. Weniger Twitter, mehr Mastodon. Weniger LinkedIn, mehr Blogs. Fühlt sich gerade gut an.

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