Ein neuer Podcast – jedenfalls für mich neu. Ein Podcast über das Schreiben. Im Interview-Format – oder sollte man das eher Gespräch nennen? Na ja. Jedenfalls spricht Marc-Uwe Kling in seinem Podcast mit Gästen, sie reden über Kreativität und über das Schreiben, über Wirkung von Text. Sie lesen auch kurze Texte vor. Es ist zuweilen witzig, manchmal auch tragisch. Ich persönlich mag Marc-Uwe Kling nicht so gern (darf man das eigentlich sagen?), aber ich habe mich dennoch gut amüsiert, als ich die erste Folge gehört habe, in der er mit Horst Evers diskutiert – vor allem darüber, wie man witzige Kurzgeschichten schreibt.

Ein paar Passagen sind mir besonders im Gedächtnis geblieben, denn es wird auch in diesem Gespräch wieder deutlich: Wir schreiben alle sehr unterschiedlich – und dennoch kämpfen viele mit den gleichen Problemen.

Ungefähr nach einer Stunde kommen Kling und Evers zu der Frage, wie oft und wie viel sie schreiben. Und Evers windet sich (wie bei jeder Frage): Es kommt darauf an. So ist es ja auch. Was bei mir hängengeblieben ist: Evers erzählt, dass er an Tagen vor Deadlines sehr viel schreibt. Kenne ich auch. Er nennt das den „schlimmen Nachmittag“ (der eigentlich ein schlimmer Tag, Morgen, Abend und auch mal ne Nacht ist):

„Es gibt immer das, was ich den schlimmen Nachmittag nenne. Und das ist der Tag, bevor … Also ich weiß, dass es den Termin gibt, aber es gibt immer den Tag davor, wo ich denke ‚oh, guck mal, der Termin ist real‘.“

An diesem schlimmen Tag schreibe Evers echt viel, das betont er mehrfach. Und ich kann mir das sehr gut vorstellen, denn das kenne ich auch. Die Deadline macht mich auch sehr produktiv und die Perfektionistin in mir darf endlich Ruhe geben, denn für solche Befindlichkeiten ist keine Zeit mehr.

„Es gibt nichts, was mehr blockiert, als wenn man sich vornimmt: Jetzt schreib ich was Gutes.“

Marc-Uwe Kling im Podcast Schreiben und Schreddern

Aber es gibt nicht nur das Schreiben unter Druck, Kreativität und Schreibfluss sind eben keine Konstanten, sondern immer abhängig von der Tagesform, vom Rahmen, vom Thema, … Horst Evers beschreibt auch, dass er Flow-Erlebnisse hat:

„Ich bin wirklich ein Schub-Schreiber. Es gibt auch großartige Momente, gerade bei den Romanen, diese Momente, wo ich dann wirklich, als würde ich ein Computerspiel spielen oder eine spannende Serie gucken, nicht aufhören kann. Und wo es was Manisches bekommt und wo ich auch richtig unruhig werde, wenn ich mich selbst dann unterbreche. [Ich] weiß aber auch aus eigener Erfahrung: Wirklich aufmerksam, wirklich kreativ kann man eigentlich nicht viel länger als drei bis vier Stunden maximal – und schon das ist sehr hochgegriffen – sein. Und trotzdem schreibe ich dann weiter.“

Diese Episoden kenne ich auch: Es wird immer später und später, aber du merkst es nicht. Schreibst halbe Nächte durch, einfach weil du nicht aufhören kannst. Es fließt nur so aus dir raus. Aber das geht nur, wenn alles stimmt, wenn nichts hakt an der Idee oder am Prozess. Und auch hier findet Evers sehr eindrückliche Worte, das musste ich mir wirklich mehrfach anhören, denn das ist das, was ich sehr gern überhöre. Es stockt. Und eigentlich bedeutet das: Etwas stimmt nicht.

„Das ist tatsächlich für manche Geschichten auch immer so ein bisschen der Lackmustest dann, wenn ich das Gefühl habe, ich schweife immer wieder ab und ich bin abgelenkt, dann stimmt was mit der Geschichte nicht. Dann weiß ich auch, da ist irgendwas offensichtlich nicht in Ordnung und dann muss ich mich irgendwie zusammenreißen aber grundsätzlich ist es wirklich ganz ganz schwer sich nicht ablenken zu lassen von irgendwas was man macht.“

Evers erzählt, er schreibe jeden Tag – klar, er verdient auch Geld mit Schreiben (und dem Drumherum):

„Es gibt keinen Tag, wo ich nix schreibe. und wenn es nur ist, dass ich was überarbeite oder dass ich wieder was neues entwerfe oder was neues mache.“

Die Passage danach, als er darüber erzählt, wie sich das anfühlt, wenn er mal nicht schreibt, ist übrigens sehr spannend, da geht es auch um das schlechte Gewissen. Da ist also wieder auch eine Art Druck, dieses Schreiben, das ja der Beruf ist, auch wirklich ernst zu nehmen. Kling dagegen betont sie andere Seite, nämlich das Vermissen:

„Ich vermiss das dann total. Also ich bin dann wie so ein Abstinenzler, wenn ich zu lang nichts geschrieben habe.“

Bei mir ist das oft sehr zwiegespalten, mein Verhältnis zum Schreiben. Ja, auch ich vermisse es, wenn ich lange nichts schreibe – also so gar nichts. Eigentlich gibt es ja immer was zum Schreiben. Gleichzeitig finde ich es total entspannend, nichts schreiben zu müssen. Einfach mal einen Tag oder mehrere nur unterwegs sein oder nur Dinge tun, die nichts mit Schreiben zu tun haben. Ich brauche die Pausen schon ab und zu.

Für mich war diese Podcast-Folge sehr erhellend, weil ich mich in vielem wiedergefunden habe, auch wenn ich selbst keine witzigen Kurzgeschichten schreibe. Ich glaube, das wird auch in Zukunft nicht mein Genre übrigens. Aber spannend ist es schon, wenn zwei, die vom Schreiben leben, über das Schreiben sprechen: Der schlimme Tag, das tägliche Schreiben, schreiben an verschiedenen Orten (Evers schreibt gern im Zug, Kling nur zuhause). Und auch die Diskussion über die Freiheit der Autoren, was Rechtschreibung und Zeichensetzung angeht, ist wirklich köstlich (etwa ab 1:34:00). Das Lektorat setzt sich doch meistens durch gegenüber der künstlerischen Freiheit ^^

Einen Aspekt wollte ich hier noch erwähnen, weil ich es sehr anschaulich beschrieben fand – die Befriedigung durch Schreiben. Marc-Uwe King formuliert das so:

„Also ich versuch tatsächlich vormittags zu schreiben. Erstens, weil ich dann noch nicht so groß abgelenkt bin, aber auch, weil, sobald ich ein Kapitel geschrieben habe, oder ne Geschichte, hab ich total gute Laune für den Rest vom Tag. Das ist eigentlich für alle um mich herum auch sehr angenehm wenn mir das gelungen ist. Deswegen sagen auch alle, ja mach mal, mach mal gleich morgens! Und wenn ich das noch nicht hab, dann bin ich so [Motzgeräusche].“

Schreiben macht glücklich. Fertige Texte sollten aber schon ab und zu dabei rauskommen, denn zu viele angefangene Projekte machen Stress. Habe ich oft genug getestet. Daher schreib ich. Und versuche, meinen Kram auch wirklich fertig zu kriegen. Für mehr gute-Laune-Tage.

Ich freu mich schon auf die anderen 5 Gespräche in dem Podcast, mein Highlight wird wohl die 6. Folge, denn da ist Andreas Steinhöfel zu Gast und den verehre ich wirklich sehr. Wenn du gern schreibst und dich nicht an dem vielen Witz und dem Känguru störst, solltest du diesen Podcast mit Marc-Uwe Kling hören: Schreiben und Schreddern.

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