Zerknittert und ein bisschen grummelig ist dieser Morgen, bin ich – es ist nicht meine Zeit. Übrigens noch nie gewesen, ich bin eine Eule. Eigentlich ist das auch gar kein Problem für mich, denn ich kann ja meine Arbeitszeit so frei einteilen, wie ich will. Aber Junior nicht. Der muss seit heute wieder jeden Morgen pünktlich um 8 in der Schule sein. Und daher habe ich zu diesem Zeitpunkt, um kurz vor 9, schon gefrühstückt, war einkaufen und sollte jetzt eigentlich so langsam bereit für den Tag sein. Eigentlich.
Ich bewundere diese Leute, die jeden Morgen zur gleichen Zeit ihr „Guten Morgen“ auf Twitter (ja, ich werde es weiter so nennen!) teilen, die noch einen motivierenden Spruch dazu veröffentlichen und auch schon ihre Morgengedanken geschrieben, getippt oder verbloggt haben. Damit der erste Tweet mit Inhalt schon um 5 Uhr morgens auf den Blog verweist.
Ich weiß gar nicht, wie oft mir das schon geraten wurde. Ich solle doch einfach früher aufstehen, während Junior noch schläft, dann hätte ich doch Zeit für alles. Für Sport, für Schreiben, für mich, dies das. Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass ich das nicht tue, sondern lieber um mein Leben schlafe, während Junior schlummert.
Aber was mich heute umtreibt, ist die Routine, das Regelmäßige.
Routine vs. Flexibilität? Nee, geht beides
Menschen mit einem festen Tagesablauf und dazu passenden Routinen sind nicht die besseren Menschen, auch wenn man das manchmal glauben könnte bei all den Produktivitäts-Hacks, Wochenplan-Vorlagen und der Verehrung der Morgenroutine als Life-Hack.
Aber solche Routinen und Abläufe sind gar nicht für alle toll, sondern nur für die, denen Strukturen wie diese Halt und Fokus geben.
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich täglich auf diesem Blog schreibe, es ist wie eine Art Gedanken-Tagebuch für mich. Aber ich schreibe eben nicht jeden Morgen als erste Aktion einen Artikel, sondern ich schreibe dann, wenn es gerade in mein Leben passt. Und das ist mal mittags, mal abends und auch mal morgens. Es ist aber nie vor dem ersten Kaffee und ich würde mich auch nicht selbst kasteien, wenn ich es mal einen Tag nicht schaffe.
Während also andere Menschen die Struktur brauchen, um dranzubleiben, brauche ich die Gelegenheit, die Lücke im Tag, den passenden Gedanken. Wenn er kommt, erlaube ich mir, ihn aufzuschreiben, es sei denn, ich habe einen Termin.
Mein Rahmen ist also: Wenn mir danach ist, dann schreibe ich. Da meine Tage aber alle unterschiedlich aussehen, gibt es Artikel zu jeder beliebigen Tageszeit. Das ist nicht weniger produktiv, ich muss mich lediglich dazu anhalten, es irgendwo unterzubringen, während andere WISSEN, dass sie es genau zu diesem oder jenem Zeitpunkt tun oder als Aktion nach einer anderen, als Teil eines festgelegten Ablaufs.
Stört das Sprunghafte nicht die Leser*innen?
Das ist so ein Gedanke, der mir immer wieder präsentiert wird. Dass meine Leserschaft das abstrafen würde, wenn ich nicht so schreibe, dass ich Teil ihrer Routine werden kann. Dass sich darauf niemand einstellen würde (so ein Blödsinn).
Ich gehe ohnehin davon aus, dass niemand alle meine Texte liest – wozu auch? Und wenn doch, dann wird dieser jemand sich eben dann die Texte zu Gemüte führen, wenn sie erscheinen und wenn es in seine oder ihre Routine passt. Unregelmäßig-regelmäßig also.
Das gilt auch nicht nur für die Uhrzeit, sondern auch für die Wochentage. Ob man meinen Text am Montag, Dienstag oder Mittwoch liest, ist egal, denn ich bin ja keine Nachrichten-Seite.
Daher glaube ich, dass nur für diejenigen eine starre, feste Routine sinnvoll und wichtig ist, die sie selbst brauchen, um kreativ und produktiv zu sein. Ich bleibe bei meinem sprunghaften, situativen schreiben, weil es für mich am besten funktioniert.
Aber wenn ich an Tagen wie diesen wieder sehe, wie all die frühen, routinierten Vögel in meiner Timeline ihre guten-Morgen-Grüße austauschen, dann wünsche ich mir manchmal, ich wäre auch einer von ihnen. Weil ich dann gemacht wäre für diese unmenschlichen Zeiten, zu denen die Schule anfängt.
Zerknittert nehme ich jetzt meinen zweiten Kaffee und warte, dass sich dieser Montag irgendwann nach Produktivität anfühlt.
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