Ich weiß nicht mehr genau, in welchem Jahr Junior mir das erste Mal von Robo-Willi erzählte. Vielleicht irgendwann zwischen 2016 und 2017, auf jeden Fall noch in der U3-Kita. Junior sagte, er wolle sich für mich einen Robo-Willi wünschen, zur Not müsse er ihn erfinden oder der Weihnachtsmann müsse ihn bringen.
Robo-Willi ist ein Roboter, erklärte er mir, der viele verschiedene Funktionen hat. Er kann einkaufen, putzen, kochen, die Wäsche waschen und sonstige Tätigkeiten im Haushalt ausführen. Dafür müsse man einfach das richtige Programm wählen und schon hilft Robo-Willi, tut was er kann und soll. Dieser Roboter könne auch vorlesen und spielen und aufräumen – also habe auch Junior selbst etwas davon. Und Fußball spielen und auf den Spielplatz gehen, klar.
Aber das ist nicht alles – Junior hatte diesen Roboter als Allzweck-Waffe erdacht, er hatte verstanden, dass zwar Hilfe fehlt, dass das aber nicht alles ist: Robo-Willi habe auch ein Kaffee-trinken-und-zuhören-Programm, wenn man das auswähle, könne man sich einfach mit ihm unterhalten. Und er habe auch ein Kuschel-Programm. Schaltet man diesen Modus ein, könne Robo-Willi diese Funktion erfüllen und einen in den Arm nehmen.
Es klingt vielleicht ein bisschen traurig, dass Junior sich für mich einen Roboter und keinen Mann wünschte, aber ich finde es vollkommen logisch. Denn die für ihn zuverlässigere Lösung war immer die technische. Menschen sind kompliziert, Menschen streiten, Beziehungen zerbrechen – das hatte er zwar bei mir nie bis dahin erlebt, aber bei anderen.
Warum also nicht etwas erfinden, das alle Bedürfnisse erfüllt, ohne diese komplizierten Gefühle und Befindlichkeiten? Ohne tägliche Launen und Stimmungsschwankungen und schlechte Tage?
Ich fragte ihn, warum wohl niemand einen Robo-Willi hat, wenn er doch die perfekte Begleitung im Leben sei? Und er sagte: „Na, weil ihn noch niemand gewünscht und erfunden hat!“ Klar, logisch. Aber es gab keinen Robo-Willi für mich. „Der Weihnachtsmann bringt ja nur Kindern etwas“, so hatte Junior es mir erklärt, dass kein Robo-Willi unter dem Weihnachtsbaum saß. Oder vielleicht sei der Wunschzettel vertauscht worden.
Bis heute habe ich keinen Robo-Willi und vielleicht ist Junior auch mittlerweile dahintergekommen, dass eine technische Lösung auch ihre Nachteile hat, wenn es Zwischenmenschliches geht. Zumindest erkennt er doch selbst einen Unterschied, ob er nun mich kuschelt oder sein Kuscheltier. Wie das wohl erst mit einem Roboter wäre?
Was ich bemerkenswert finde an dieser Geschichte: Kinder sehen so viel. Sie erkennen die Bedürfnisse von anderen, denken darüber nach, erfinden sogar mögliche Lösungen. Es gibt ja auch diese Filme, in denen Kinder für ihre Elternteile neue Partner suchen, weil sie wissen, dass etwas fehlt, das sie selbst nicht geben können. Diese Idee hatte Junior nie, denn er hat auch verstanden, dass Beziehungen kompliziert sein können und dass man sie nicht erzwingen kann – außer man hat einen Roboter, bei dem man nur ein Programm auswählen muss.
Als Junior fünf war, hat er mal einen Robo-Willi gebastelt, aus Pappe. Der steht seitdem hier in der Küche, etwas verblasst und schon halb vergessen. Seit ein paar Wochen ist er wieder in Juniors Bewusstsein gerückt, er meinte, man müsse ihn vielleicht mal reaktivieren, die Farben nachziehen, ihm den Staub vom Körper wischen.
Und ich denke, es ist Zeit, das Konzept Freundschaft wieder auf unsere Themenliste zu setzen. Denn außer „Lebenszeitabschnittsgemeinschaften“ aller Art und technischen Lösungen gibt es ja noch eine dritte, die im besten Fall so stark und beständig ist, dass sie viele Funktionen erfüllt, für die Robo-Willi einmal erdacht wurde.
Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.
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