Über die Wirkung von Satzteilen, die unüberlegt (oder gar manipulativ-geplant) mit „und“ verbunden sind, hatte ich vor einiger Zeit mal im Laut gedacht Newsletter geschrieben. Das hier mag auch so ein Satz sein. Das wahre Erwachsen-Sein zeichnet sich schließlich dadurch aus, dass man einen Puzzletisch hat – oder doch nicht? Für mich fühlt es sich gerade tatsächlich so an wie ein einschneidendes Ereignis, denn das bedeutet, dass ich nicht mehr auf dem Boden puzzeln muss.

Ein kurzer Abriss, wie es dazu kam: Junior und ich leben hier ja wohnungstechnisch in einer Art WG. Er hat sein Zimmer, ich hab mein Zimmer. Küche und Bad nutzen wir beide – ich vielleicht ein bisschen mehr, weil ich immer noch oft dort arbeite, obwohl ich ja ein Büro habe.

Unsere Räume sind so eingerichtet, dass wir das tun können, was wir tun wollen (und müssen). Unsere Küche ist eine Wohn-Küche und dort steht auch der uralte Ohrensessel, den ich von meinem Vater geerbt habe. In dem sitz-liegt jetzt immer Junior und liest dort seine Bücher oder Comics.

Und vielleicht ist genau das der Grund, also dass wir so viel in der Küche machen, dass wir unser Wohnzimmer nie genutzt haben. Es war halt da, eigentlich der schönste Raum der Wohnung, aber wurde nie benutzt. Ein paar Jahre lang war mir das egal, dann hatte ich die Idee, wir müssten den Raum umgestalten. Also verkaufte ich das sperrige Sofa und es entstand ganz viel Platz.

Der entstandene Platz aber wurde dann zum Abstell-Platz, denn weder Junior noch ich hatten eine Idee, wie wir den Raum füllen könnten. Ein neues Sofa kaufen? Den Raum irgendwie „gemütlich machen“ (ich bin so schlecht in diesem ganzen Einrichtungs-Deko-Dings-Kram, mich interessieren weder Sofakissen, noch Vorhänge)?

Wir merkten also: Wir brauchen diesen Raum wirklich nicht. Wir brauchen kein Wohnzimmer, und auch kein Sofa. Und hier fängt das mit dem Erwachsen-Werden an. Denn ich brauchte ein bisschen, bis ich verstand: Es ist okay, kein Wohnzimmer zu haben, auch wenn alle anderen so etwas haben. Auch wenn bei jeder Wohnung im Grundriss dieser Raum mit eingezeichnet ist.

Es ist übrigens nicht nur in meiner eigenen Wohnung so: Immer wenn ich bei meiner Freundin Karin in der Schweiz bin und mal etwas früher wach werde, dann setze ich mich nicht zu ihr aufs Sofa, sondern an den schönen, großes Esstisch. Das ist mein Platz, dort fühlt es sich gut an für mich.

Was haben Junior und ich also gemacht? Wir haben überlegt, was wir gern tun und wofür wir mehr Platz in unserer Wohnung zur Verfügung haben wollen. Und dann war alles ganz klar: Ich möchte nicht mehr in der Küche auf dem Boden puzzeln und Junior möchte mehr Platz zum Lego bauen.

Zu Weihnachten schenke ich uns also ein Lego- und Puzzle-Zimmer. Es hat genug Stauraum, Platz zum Wuseln und für kreative Gedanken – aber halt kein Sofa. Brauchen wir nicht.

Und ich frage mich seit gestern, als ich meinen Puzzle-Tisch zusammengeschraubt habe: Was habe ich sonst noch in meinem Leben, weil es „alle“ haben und weil ich glaube, es gehöre zum Leben mit dazu? Gibt es bessere Möglichkeiten, vorhandenen Platz zu füllen? Nicht uninteressant, diese Gedanken. Und ganz schön erwachsen, finde ich.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

Ein Kommentar

  1. Hallo Anna,
    seit mehr als 23 Jahren leben meine Frau und ich in einem recht alten Fachwerkhaus, d.h. kleine, niedrige Räume verteilt auf drei Etagen. Ein Wohnzimmer haben wir nie eingerichtet, fast alles spielt sich in der kleinen Küche und in dem sich daran anschließenden Esszimmer ab. Das Fehlen eines Wohnzimmers fällt uns immer nur dann auf, wenn Besuch in einer Anzahl auftaucht, der in unserem Esszimmer an seine Grenzen stößt. Aber dieses Gefühl geht immer sehr schnell wieder weg. Bemerkenswerterweise haben wir in unserem Haus noch ein Zimmer, dass wir als Wohnzimmer einrichten/ausbauen könnten, aber bisher haben wir das nicht gemacht, weil wir ein Wohnzimmer anscheinend wirklich nicht brauchen. Das Zimmer ist aktuell, seit 23 Jahren, ein Abstellraum. Keine bewusste Entscheidung, sondern das Ergebnis unserer Art zu leben. Die Frage „Was habe ich sonst noch in meinem Leben, weil es „alle“ haben und weil ich glaube, es gehöre zum Leben mit dazu?“ finde ich sehr interessant. Die Beantwortung macht uns nicht nur erwachsener, wir gewinnen dadurch auch mehr Unabhängigkeit und Freiheit.

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