Schon lange habe ich einen geheimen Wunsch, den ich mir – aus Gründen – nicht erfülle. Denn ich glaube, wenn ich irgendwann mal ein Etikettiergerät hätte, könnte ich nicht mehr aufhören, alles, und ich meine ALLES, in meiner Wohnung zu beschriften.

Ich träume davon. Sehe es auch tagsüber ganz klar vor mir. Wie ich durch meine Küche laufe und mir zuerst die Gläser im Vorratsregal vornehme. Linsen, Nudeln, Mehl, Erbsen, Hirse… Es gibt dort viel zu tun. Und es ist gar nicht wichtig, dass ich durch die Gläser sehen kann, was darin ist – ich möchte ein Etikett draufkleben und das Glas für immer in seiner Bestimmung festigen: „Du bist ein Glas, in dem rote Linsen gelagert werden!“ Ja, das wäre wie ein Titel, eine wichtige, tragende Rolle in unserem Haushalt.

Der Kühlschrank wäre ab sofort immer so bestückt, wie wir es brauchen, denn es fiele ja sofort auf, wenn ein Platz leer bliebe. Und den Kühlschrank-Einräum-Guide, den ich für Junior ausgedruckt hatte, könnten wir abnehmen, denn der Kühlschrank selbst würde sagen, wo Marmelade, Haferdrink und Reste vom Vortag hingehören.

Hätte ich ein Etikettiergerät, ich würde Schubladen, Fächer in Schubladen und sogar Handtuchhaken beschriften. Teedosen könnten ihren Inhalt offenbaren, ohne dass man hineinschaut. Ich könnte Regalböden beschriften, damit Tassen, Schüsseln und Back-Utensilien immer genau wüssten, wohin sie gehören. Was für eine Welt.

Ich stelle mir das so aufgeräumt, so erwachsen vor. Stell es dir auch vor: Ein Haken für ein Küchentuch und ein Haken für ein Hände-Tuch. Und ein Haken für Einkaufsbeutel. Eine Krams-Schublade? Kann es nicht mehr geben, denn dafür mache ich doch kein Etikett! Nein nein, es gibt dann eine Schublade für Büroklammern und Reißzwecken, eine für Schmierpapier und eine für Ersatz-Batterien. So fügt sich alles, denn alles hat seinen Platz.

Juniors und mein Kleiderschrank wären so aufgeräumt wie nie, denn jedes Regalbrett und jede Schublade hätte ein Etikett. Sneakersocken, Wollsocken und normale Socken gemischt? Das käme nicht mehr vor – alles nur wegen des Etikettiergeräts.

Unser Spiele-Schrank könnte ein ganz neues Innenleben bekommen, denn Würfel-, Karten- und Brettspiele lägen nicht mehr durcheinander und wild gestapelt herum. Und jeder, der bei uns in der Wohnung dieses Schränkchen öffnet, würde sagen: „Wow, geniales System!“ Denn jede kleine Schachtel und jeder Karton wäre dort, wo man vermuten würde. Ganz klar, ganz logisch und immer auch wiederholbar. Rausnehmen, Platz suchen, wieder reinstellen. Wie aufgeräumt so eine etikettierte Welt doch wäre…

Im Badezimmer könnten Gäste sofort sehen: Hände-Handtuch, Juniors Handtuch, Annas Handtuch. Was für eine Erleichterung! Man könnte sogar die Stühle etikettieren, um neuen Leuten sofort zu zeigen: Hier sitzt immer Anna, nimm den anderen Platz. Kommt dir komisch vor? Ich weiß nicht, wie oft ich in fremden Wohnungen war und mich fragte, wohin ich mich setzen darf. Denn die Gastgeber, die es wissen müssten, setzen sich leider meistens zuletzt.

Nachdem ich also tagelang, wochenlang durch unsere Wohnung gelaufen wäre und alles, ALLES, mit einem Etikett versehen hätte, wären hier Klarheit und Übersicht eingezogen. Oder aber wir würden verrückt werden, vor lauter Beschriftungen. Kann man nicht so genau sagen.

Vielleicht könnte ich auch nicht mehr aufhören mit dem Beschriften. Es ginge mehr und mehr ins Detail – ich bräuchte dann vielleicht mehr Schubladen, die ich auch noch etikettieren könnte. Und was macht man mit Dingen, die vielleicht nicht klar zu benennen sind? Vielleicht würde ich verrückt werden auf der Suche nach dem passenden Begriff für das Etikett.

Möglicherweise hat nicht alles seinen Platz. Vor allem dann, wenn man kein Minimalist ist. Wenn die Wohnung auch ein Ort ist, an dem es Kram gibt. Für den bräuchte es dann ja ein Etikett. Und wenn es mehrere Orte mit Kram gäbe, bräuchte es mehrere Etiketten mit der Aufschrift „Kram“. Und wer weiß dann noch, wo welcher Kram hingehört? Ein Dilemma.

Daher erfülle ich mir den Wunsch nach einem Etikettiergerät nicht. Es ist einfach zu riskant, dieses erwachsene, aufgeräumte Leben.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

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