Wo lasse ich meinen Ballast? Wie kann ich Dinge, die mich (zu sehr) beschäftigen, auch mal rauslassen, ohne ständig mit mir selbst zu sprechen? Na klar, dafür gibt es Freunde. Die können uns ertragen, auch wenn wir schlecht drauf sind. Zumindest für den alltäglichen Frust und die kleinen Sorgen haben sie ein offenes Ohr. Was mir aber aufgefallen ist: Mit dem Alter wurden Die Probleme komplexer. Und langfristiger. Die Prozesse sind teilweise unübersichtlich und einige Probleme meiner Freunde begleite ich schon seit Jahren.
Noch am Dienstag habe ich es im Podcast angesprochen: Viele meiner Freunde betrachten mich als vertrauenswürdig, sie besprechen auch schwierige Themen mit mir, schätzen meinen Umgang damit, mein Zuhören. Das ist Schokolade, denn es sagt etwas über die Festigkeit der Verbindung aus. Ich mag es, wenn Menschen wissen: Bei mir sind ihre Themen und Gedanken gut aufgehoben.
Aber wenn zu viele meiner Lieben gleichzeitig auf die Idee kommen, dass ich eine gute Adresse bin, dann gleicht das einer Überforderung. Hausgemacht, natürlich. Denn wenn ich sie treffe, weiß ich doch eigentlich schon, was los ist und was dementsprechend bei diesem Treffen passieren wird.
Ich frage mich, ob das auch ein Symptom der Unsicherheit in unserer Welt ist. Die Dauer-Überforderung, der Rückzug, die Gedankenschleifen. Keine Erholung mehr, ständig die nächste Katastrophe. Oder das Warten darauf. Nun bin ich gefühlt urlaubsreif. Weil ich mit meinen Freunden gesprochen habe.
Die eine Freundin ist überfordert von ihrer Arbeitssituation, die Strukturen sind zu straff, sie kann nicht das tun, was eigentlich nötig wäre. Und bekommt gleichzeitig gesagt, was sie macht, reiche nicht aus. Zu viel. Erinnert mich ein bisschen an meine ehrenamtliche Arbeit für Startups Bielefeld damals, da hatte ich auch den Eindruck, gegen Windmühlen zu kämpfen und zu keinem Ergebnis zu kommen.
Eine andere Freundin ist seit einem kappen Jahr krankgeschrieben. Ein Zusammenbruch, eine Depression, keine Perspektive. Über diese Situation habe ich lange nachgedacht, denn gefühlt habe ich dabei zugesehen, wie es zu diesem Zusammenbruch kam, seit Jahren. Aber ich konnte nichts tun, kann immer noch nichts tun. Also höre ich zu, immer dann, wenn sie es mir ermöglicht. Denn ja: Sie entscheidet darüber, ob sie es schafft, mich zu treffen. In meinen schlechten Zeiten hat sie mir zugehört, jetzt höre ich zu. Und erzähle selbst nur die schönen Geschichten.
Und eine dritte Freundin kämpft seit Jahren so hart für ihre Familie, mit immer neuen Herausforderungen, immer kommt ihre Gesundheit zu kurz. Ich beobachte das mit großer Sorge, aber auch da: Mehr als zuhören und meine Bedenken zu bestimmten Themen äußern, kann ich nicht.
Was muten wir anderen zu, was muten wir uns selbst zu? Habe ich mich übernommen, weil ich meinen Kalender mit Dates vollgepackt habe? Weil ich mich danach sehnte, mit meinen Lieben zu sprechen? Habe ich mich selbst nicht auch vergessen, wie diese eine Freundin, funktioniere ich doch seit 10 Jahren immer so gut wie es gerade geht?
Es ist jedenfalls gut, dass auch ich meinen Ballast manchmal loswerden kann. Dass ich verwirrt sein, ängstlich sein, schwach sein darf in bestimmten Konstellationen. Um dann wieder aufnahmebereit zu sein, gestärkt.
Schade ist es nur, dass die völlig unbeschwerten Treffen so selten geworden sind. Einfach nur eine gute Zeit mit Freunden… ausgehen, Spaß haben, laut lachen – gefühlt kommt da immer irgendwann ein Problem um die Ecke.
So sind wir ein System aus Mülleimern für emotionalen Ballast, der eine für den anderen und wieder eine andere für die eine. Manchmal möchte ich einfach nur Eis essen gehen. Oder ans Meer fahren. Nur kurz, für einen Tag oder zwei. Ohne Ballast.
Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.
Keine Kommentare bislang