„Du kannst keine Entscheidungen treffen!“ Das sagte mein damaliger Partner zu mir, als ich ihm sagte, mir sei egal, wo das neue Abroll-Dingsbums für die Küchenrolle und die Frischhaltefolie in unserer Küche hängen sollte. Ich war aber in einer Zwickmühle, denn ich wusste: Ihm war es wichtig, wo das Ding hängen sollte, mir aber nicht. Und ich wusste auch, er würde mir vorhalten, wenn ich keine „Meinung“ hätte, keine Entscheidung treffe.
Diese unangenehme Situation hatten wir über die Jahre sehr, sehr oft. Nicht nur in Bezug auf unsere Wohnung, sondern auch in Fragen der Freizeitgestaltung oder als es darum ging, welchen Film wir schauen.
Mir sind so viele Dinge egal. Sie sind es dann aber auch wirklich, ich bin nicht unterschwellig beleidigt, weil die „falsche“ Entscheidung getroffen wurde. Aber mir fehlt oft die Energie, über solche Lappalien zu diskutieren.
Ihm war es aber wichtig. Und das hatte ich übersehen. Ihm war nicht nur wichtig, wo das Abroll-Dings hängt, sondern auch, dass ich mich dafür interessiere. Er wollte, dass ich anders bin, dass es mir wichtig ist. Aber das war es nicht. Und ich konnte und wollte das nicht ändern – es war mir wirklich völlig egal.
Das konnte er nicht verstehen. Und daraus wurde dieser absurde Vorwurf, ich könne keine Entscheidungen treffen.
Blöd war nur, dass ich mir diesen Satz sehr lange gemerkt habe. Vielleicht, weil ich ihn zu oft gehört hatte. Vielleicht, weil ich ihn falsch einsortiert hatte. Ich musste wirklich daran arbeiten, ihn wieder loszuwerden.
Denn obwohl ich täglich hunderte Entscheidungen treffe, Begegnungen und Vorgänge bewerte, Juniors und mein Leben manage – die Idee, ich könnte keine Entscheidungen treffen, blieb.
Ich merke das immer, wenn ich Entscheidungen länger als nötig vor mir herschiebe. Wenn ich zögere, obwohl es eigentlich ganz klar ist. Dann denke ich an diese Situation und muss mir erstmal darüber klar werden, warum diese Entscheidung jetzt gerade wichtig ist.
Es ist schon irre, was einfach dahergesagte Sätze anstellen können. Daher bemühe ich mich, die guten Sätze so oft wie möglich zu sagen.
- Toll, was du alles geschafft hast!
- Das sieht aus, als hättest du dir sehr viel Mühe gegeben.
- Du bist wichtig.
- Du bewegst etwas.
- Deine Entscheidung war genau richtig.
- Du bestimmst selbst, was wichtig ist.
- Du wirst geliebt.
- …
Ich weiß nicht, wie viele Entscheidungen ich in den Jahren meiner Selbstständigkeit getroffen habe, von der ersten, das Gewerbe anzumelden, das war vor ziemlich genau neun Jahren, am 06.11.2014, bis zur letzten, heute Morgen, als ich beschloss, in diesem Jahr nichts mehr zu tun, außer die angefangenen Dinge abzuschließen.
Aber ich weiß: Ich habe Einiges richtig gemacht. Nicht alles, absolut nicht – schöner Scheitern ist etwas, das ich sehr gut kenne. Vieles habe ich richtig gemacht, gute Entscheidungen getroffen. Denn sonst wäre ich ja nicht hier.
Hast du einen guten Satz, den du mal wieder hören möchtest?
Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.
2 Antworten
Solche Sätze, die sich einbrennen, weil sie ungerecht sind, dich nicht wertschätzen, hat wohl jeder schon gehört.
Schönes zu hören, ist toll. Wenn man aber sein Leben inzwischen alleine meistert, sind sie rar. Die jung erwachsenen Kinder neigen selten zu so profanen Äußerungen, wie „Danke für die Hilfe!“, „Du siehst toll aus!“ oder so. Das kommt dann eher unterschwellig, indem sie dich regelmäßig in ihre Welt blicken lassen.
Aber das direkte Aussprechen von ehrlich gemeinten Komplimenten ist schon deutlich besser.
Danke für deine sehr offenen Worte hier. Fühle mich regelmäßig abgeholt. 🙂
Ja, schlimm ist es halt, wenn wir sie glauben, diese ungerechtfertigten und unüberlegt geäußerten Sätze. Ich hab da lange dran arbeiten müssen, war gar nicht so einfach. Rational schon, aber nicht auf emotionaler Ebene.
Ich glaub auch, dass diese kleinen Sätze weniger werden, wenn Junior älter wird. Aber wer weiß – vielleicht erinnert er sich daran, wie schön es ist, solche Sätze zu hören und auch sie zu sagen. Ich werde berichten! Aber ich glaub, wenn sie erzählen und ihre Erfahrungen teilen, hast du ganz viel richtig gemacht.
Danke dir.