„Anna, du bist so stark! Du hast alles im Griff, immer den Überblick. Du schaffst alles.“ Ich habe es satt. So satt, immer stark zu sein. IMMER vor allem. Nach außen, klar. Ich kriege das hin, alles läuft, gar kein Problem. Aber wenn ich könnte, dann würde ich mich an Tagen wie diesen gern im Bett verkriechen, meinen Kopf auf die Brust von jemandem legen, der sich dazu berufen fühlt, mir das anzubieten. Und dann nur herumliegen und klein sein. Schrumpfen, bis die Welt wieder anders aussieht und ich wieder meine normale Größe annehme.

Für Junior kann ich alles, weiß alles, erledige alles, merke mir alles. Schon cool, ich bin eine Heldin. Für andere, die meinen Alltag begutachten, bin ich auch eine Heldin, vielleicht ein bisschen differenzierter, aber trotzdem. Die Grundaussagen ähneln sich: Ich weiß nicht, wie du das machst, deine Energie für das alles hätte ich nicht, krass was du alles schaffst.

Und klar, das fühlt sich gut an, vor allem wenn ich grad in einer Phase bin, in der ich mich genau so fühle, wie die anderen mich beschreiben. Ja stimmt, ich könnte Bäume ausreißen und die Welt erobern und überhaupt!

Und dann gibt es Tage, an denen das alles einfach nicht stimmt. Da kriege ich nichts auf die Reihe, alles geht schief, niemand unterstützt mich. Und ich merke: Die Stärke ist nicht einfach nur da, sie muss da sein. Denn wenn ich es nicht mache, macht es keiner.

Und wenn ich mir mal ein paar Minuten in irgendeinem (na ja, vielleicht nicht irgendeinem) Arm gönnen will, dann fühl ich mich, als müsste ich das erklären. Als müsste ich sagen: Ist nur ne Phase, bin gleich wieder da – eigentlich brauch ich das gar nicht, nur jetzt gerade, warum weiß ich auch nicht, aber nein, das ist keine Schwäche, geht gleich wieder. Uff.

Das Nicht-Verteilte

Ich habe keine Ahnung, wie das ist, wenn sich zumindest ein Teil der Belange auf zwei Menschen verteilt. Der Teil vielleicht, der nicht nur mich betrifft. Klar, das ist nicht nur easy, andere müssen um die Verteilung und die Einhaltung der Vereinbarung streiten, ich nicht. Ich tue einfach alles, was anfällt, und wenn nicht, dann bleibt es liegen.

Bei der Wäsche nicht so schlimm, bei anderen Dingen schon. Und wenn dann noch ein Konflikt dazukommt oder irgendetwas, das ich gern erzählen würde, dann merke ich es wieder: Wer trägt das denn mit, wenn ich mal nicht stark bin? Wer erträgt mich dann, denn das ist ja nicht normal und das Bild, das sie sehen wollen (oder sollen?). Wer ist dafür zuständig? Ich denke, niemand ist das.

Wohin also mit der Schwäche? So lange jedenfalls, bis es wieder anders ist? „Bei dir ist gut anlehnen“, hat Herbert gesungen – das fehlt hier. Das Anlehnen und das klein-sein-dürfen. Energie-los statt Energie-Tankstelle. „Du glaubst, ich bin stark und ich kenn den Weg“ – das waren Ich & Ich, man ist das lange her. Etwas stimmt nicht mit dieser Welt, wenn wir nur das eine Bild sehen wollen. Oder bin ich es, die die andere Seite niemandem (mehr) zeigen mag? Ich denke drüber nach, wann ich das zuletzt gemacht habe. Fühlt sich gerade gar nicht so stark an.

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6 Antworten

  1. Liebe Anna,

    beim Lesen deines Textes hat mich unweigerlich meine Vergangenheit eingeholt. Dein Text hat mich sehr berührt. Und er hat mich gleichzeitig gefühlsmäßig zurück katapultiert in eine vergangene Zeit, in der ich selbst seit meiner Schwangerschaft im 3. Monat damals noch vorgeburtlich als „Alleinpflegende“ und „Alleinhegende“ und später nach der Geburt mehr und mehr als Alleinerziehende mein Leben mit Kind neu gestaltete.

    Ich kann mich sehr gut an die Zeit erinnern und sie holt mich auch heute noch so manches Mal wieder ein Wenig ein. Es gibt Tage, da denkt mein Körper noch in der Vergangenheit und wird gestresst und es wird eng in mir. Dann stärke ich mich mental und erinnere meinen Körper wieder daran erinnern, dass sich die Zeiten geändert haben, dass ich z.B. auch länger arbeiten kann und nicht schnell, schnell nach Hause muss.

    Ich habe bei den meisten Dingen einen hohen Anspruch an mich und eben auch als Alleinerziehende. Und es ging es mir immer vorrangig darum, für meine Tochter eine möglichst gute Wachstumsumgebung zu kreieren und zu erkämpfen. Und zusätzlich hatte ich den Wunsch mit ihr möglichst selbst viel qualitativ gute Zeit zu verbringen, sie selbst in Wachstum, Entwicklung und ins Leben gehend mit begleiten zu wollen. Und das, während noch genügend andere Dinge von mir alleine gestemmt werden mussten, darunter auch den Finanztopf zu füllen. Das hat dann so manches mal das Gefühl einer gewisse inneren Zerrissenheit erzeugt.

    Heute ist meine Tochter 20 und ich befinde mich statt in der Betreuungsposition seit langem verstärkter und mit weichem Übergang in einer begleitenden Position. Trotzdem bin ich neben ihrem Freundeskreis nach wie vor aktuell noch elterlich Hauptbindungsperson und auch im jungen Erwachsenenalter gibt es Turbulenzen und große Entwicklungsschritte zu meistern, z. B. Ausbildungs-, Studien-, Berufswahl.

    Also: Einfach nur ein herzliches „Chapeau“ an Dich! Für das, was Du leistest! Und für das, was Du schon alles für und mit deinem Kind gemeinsam geschafft hast. Ich weiß wieviel Kraft dich das alles kostet. Denn:

    Ich kenne selbst das Gefühl der Zerrissenheit, auch energetisch gesehen, zwischen Kind und eigenen Themen.

    Ich kenne das Gefühl „stark sein zu müssen“, obwohl ich mich „schwach“ und „ohne Energie“ fühle.

    Ich kenne das Gefühl, die Alltags-To-dos nicht annähernd verteilen zu können, weil eben niemand mitverantwortlich im gleichen Haushalt lebt und das „Abgeben“ immer mit Sonderorganisationen und auch mit Energieaufwand verbunden ist.

    Ich kenne das Gefühl, wenn andere mir sagen: „was bist du für eine starke Frau“, „toll und bewundernswert, dass du das alles so schaffst“, „bewundernswert, dass du dass alles so in Verbindung hältst und auf die Kette bekommst“, „*boaah, du hast echt viel Energie, ich würde das nicht alles so schaffen!“.

    Vor allem kenne ich das Gefühl, wenn es sich innerlich in bestimmten Situationen sogar komplett konträr anfühlt und frau sich wie du schreibst z.B. überfordert, ausgelaugt, eigene Grenzen über Maßen strapaziert, alle-Viere-und-Flügel-hängen-lassend fühlt und sich am liebsten wie ein Kleinkind auf den Schoß eines andern setzen oder sich einfach nur energetisch und körperlich anlehnen möchte.

    Ich kann dir nur aus meiner Erfahrung her mitgeben (ich hab es leider zu wenig gemacht!): bei allem, was Dir gleichzeitig wichtig ist, reflektiere immer wieder neu und lerne auch für dich. Lass auch Du mal die Flügel hängen. Pass auf dich selbst vermehrt auf und geh achtsam mit dir und deinen eigenen Grenzen um. Das ist ja auch gut für deinen Sohn – so als Vorbild und weil es für ihn nichts bringt, wenn du ggf. für ihn ausfällst, weil du mitunter krank wirst o.a.

    Und gleichzeitig weiß ich, während ich das schreibe…es ist einfach zu schreiben und zu sagen. In deiner Situation aber eben nicht so einfach, damit zu jonglieren :-).

    Herzliche und warme Schreibgrüße, Regina

    • Liebe Regina, meine Texte sind ja sehr verkürzt, eher so Blitzlichter, die nur kurz Teile meines Lebens erleuchten, der Rest ist unsichtbar. Das Thema ist ja sehr groß und sehr einnehmend in meinem Leben, ich bin eben seit der Schwangerschaft allein mit Junior. Das System ist erprobt und funktioniert, ich habe hart gearbeitet dafür – an allen Fronten.

      Und manchmal, ganz manchmal, merke ich dann, dass sich viele Dinge verändert haben, Junior ist 10, der geht ab Sommer aufs Gymnasium, ich bin viel freier als früher. Aber einige Dinge haben sich nicht verändert. Der Wille, die Zuständigkeit, die Verantwortung. Und das fiel mir an diesem Tag besonders auf, daher habe ich es aufgeschrieben.

      Ja, ich achte auf mich. Daher schreibe ich. Danke für deine Rückmeldung und dass du deine Erfahrung und Story teilst!

  2. Liebe Anna, es gibt gewiss eine Menge Menschen, denen es genauso geht, die mal schwach sein möchten und müssen, um wieder stark zu sein. Und die sich nicht trauen, offen darüber zu sprechen oder einfach hinter all dem Getöse der Starken gar nicht gehört werden. Wichtig ist, sich und seine Schwäche anzuerkennen, sich nicht dauerhaft herunterziehen zu lassen und vielleicht gerade dadurch immer wieder ein wenig Kraft schöpfen zu können. Ich wünsch es dir!

    • Lieber Stefan, danke für deine Worte! Ja, ich habe es jetzt einfach mal mit Schreiben versucht, das ging ganz gut. Und es gibt ja Menschen in meinem Leben, bei denen ich auch mal schwach sein darf, aber die sind nicht immer da in diesen Situationen, wenn ich grad schrumpfen und die Welt ausblenden möchte. Doof ist doch aber, dass Schwäche eben so negativ gesehen wird. Als müsste man sie verstecken und als hätten die coolen Leute keine Schwächen. Ein bisschen irre alles. Beim nächsten Mal denk ich an deine Worte!

  3. Im letzten Jahr habe ich mir oft gedacht: wieso muss ich denn immer für alle mitdenken? Familie, Kolleg*innen, Kundschaft ja sowieso, manchen Freund*innen. Ich habe mich, wo ich es konnte, ein bisschen zurückgezogen, aber das ist natürlich auch nicht unbedingt ein Lösung.

    • Das ist leider auch bei mir so. Für Junior sowieso, für seinen Vater leider auch immer noch, es ist traurig. Für Kund*innen, Netzwerkpartner*innen, Menschen aus den Teams, in denen ich als Freelancerin arbeite… Das macht keinen Spaß. Dann denk ich wieder: Na ja, das können halt auch die Wenigsten. Leider. Macht es zwar nicht besser, aber erklärt es ein bisschen? Und trotzdem: Wir sind nicht unersetzbar. Wären wir nicht da, würde es auch laufen – nur anders…

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