Gestern Abend, beim Vorlesen, hatte ich Mühe, den Text der letzten Seiten überhaupt über die Lippen zu bringen. Zu groß war der Kloß im Hals und ab einem bestimmten Punkt in der Geschichte liefen mir die Tränen übers Gesicht. Junior war zwar auch gerührt von dem Ende des Buchs, aber meine Reaktion konnte er nicht verstehen. Es ist schon irre, wie sehr mich diese letzte Szene im Buch mitgenommen hat.

Wir sind große Fans der Buchreihe „Als die Tiere den Wald verließen“. Ja, es ist eine Reihe und es gibt nicht nur die Serie, sondern Bücher, auf denen diese Serie basiert. In der Serie verwurstet sind die ersten 4 Geschichten von Colin Dann rund um den Fuchs aus dem Farthing Wald. Wir aber haben jetzt die Folge-Geschichte gelesen, „Wie die Tiere das Fürchten lernten“ und zwar den ersten Teil davon, „Jagd auf den Schatten“ (The Fox Cub Bold, 1983).

Erzählt wird die Geschichte des Kühnen, eines der Söhne des Fuchses aus den ersten Bänden. Der nämlich verlässt seine sichere Heimat im Naturschutzgebiet, weil er das „wahre Leben“ erfahren will, er will „ganz und gar frei sein“. Wie schon in den anderen Bänden wird hier niemand geschont. Tiere in der freien Natur sterben eben – auch schon zum Start der Buchreihe überleben ja viele Tiere die lange Reise zum Naturschutzgebiet nicht.

Und daher waren wir vorbereitet, dass der Kühne es sicher nicht leicht haben würde in dieser Geschichte. Er will aus den übergroßen Fußstapfen seines Vaters heraustreten, doch seine Überheblichkeit und seine verrückte Idee, er könne machen was er will, bringen ihn in viele gefährliche Situationen. Letztlich wird er so schwer verletzt, dass er kaum noch allein zurechtkommt.

Doch irgendwie schafft er es immer weiter, auch über den Winter. Er findet Freunde und sogar eine Gefährtin, entkommt mehrfach nur knapp dem Tod. Und irgendwie hatten Junior und ich die leise Hoffnung, dass doch noch alles gut werden wird, dass das verletzte Bein doch noch durch ein Wunder geheilt werden kann, dass dieser junge Fuchs es irgendwie schafft, am Leben zu bleiben (diese Hoffnung ist eigentlich nicht logisch, denn schon sehr früh erfahren wir „das Bein wird er nie mehr nutzen können“, aber wir wollten das Happy End so sehr…).

Der junge Fuchs wird sterben, noch bevor er ein Jahr alt ist. Das ist schon hart, denn er ist ja die Hauptfigur in dieser Geschichte. Aber wie das Ende dann tatsächlich geschrieben ist, hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Der Kühne nämlich ist zu stolz, um in seine Heimat, zu seiner Familie, zurückzukehren. Denn er müsste sich dann eingestehen, dass er es nicht geschafft hat draußen in der „echten Welt“. Er will sich diese Blöße vor seinem berühmten Vater nicht geben.

Aber durch besondere Umstände kommt es doch noch zu einem letzten Treffen zwischen ihm und seiner Familie und sein Vater sagt ihm die Worte, die er so gern hören wollte: „Ich bin stolz auf dich.“ Er sagt ihm auch, dass er etwas Gutes geschafft hat in seinem Leben und dass seine Geschichten weitererzählt würden, genau wie die Heldentaten von ihm selbst, dem Fuchs aus dem Farthing Wald, der die Tiere so klug in ihre neue Heimat geführt hatte.

Ich weiß ja, es ist ein Jugendbuch und ich weiß auch, dass der Autor Colin Dann wirklich nie seine Leser schont, es gibt kein Happy End um jeden Preis in seinen Büchern. Wie auch, es geht ja um das Leben, das ist eben wie es ist.

Aber die große Sehnsucht der Füchse nach ihrem ausgerissenen Familienmitglied und das Wohlwollen, das sie in dieser Situation über alles stellen, das hat mich wirklich mitgenommen. Was ist wirklich wichtig? Nicht die Enttäuschung über den Verlust, kein was wäre wenn, sondern die Perspektive auf das Gute. Gute Gefühle.

„Ich bin stolz auf dich“ – welches Kind will das nicht von seinen Eltern hören? Ich habe das verdammt lange nicht mehr gehört, weder von meinen Eltern, noch von sonst irgendjemandem. Meine Mutter sagt manchmal Sätze über mich, aber nicht zu mir. Etwas wie (zu Junior) „deine Mutter ist clever, und so erfolgreich“ oder so. Aber das ist es dann auch.

Und weil mich diese kurze Szene in dem Buch so mitgenommen hat, habe ich dann darüber nachgedacht, wann ich den Satz zuletzt gesagt habe. Es ist noch nicht so lange her, aber ich könnte das sicher auch häufiger machen.

Was mir als Gedanke bleibt: Nichts ungesagt lassen, was eventuell wichtig für die andere Person ist. Denn Worte können heilen, verbinden, erfreuen, bestärken. Und eben auch zu Tränen rühren.

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Ein Kommentar

  1. Liebe Anna!
    Ich bin auch stolz auf dich, denn ich kenne dich inzwischen länger und finde dich großartig. Man sagt das so selten, oder? Ich sage öfter, dass ich stolz auf mich selbst bin und ernte seltsame Blicke oder sogar Konfrontation. Mir egal. Ich brauche das und ich sag es mir.
    Hat länger gebraucht, vielleicht haben Menschen sogar Sorge, es könnte „von oben herab“ klingen.. denn es ist so Eltern-Kind mäßig. Dabei kann es sooo erhebend sein, oder?
    Ich danke dir für dich und deine Worte, deine Gedanken, dein Sein. Immer ein Licht im Universum. Eine kleine Pause, ein Text der an-hält weiter zu lesen statt weiter zu hetzen. Der Moment, im Moment.
    Du kannst echt stolz auf dich sein.

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