„Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn man verliebt ist?“ – mal wieder so eine Frage, wie aus dem Nichts, während ich dabei bin, Abendessen zu machen. Sie kommt natürlich nicht aus dem Nichts, nur leider auch nicht daher, dass Junior Gefühle hat, die er sich nicht erklären kann. Sie kommt daher, weil im Radio irgendein Liebeslied läuft und Junior sich mal wieder wundert, warum die Leute so viel Aufhebens um dieses Gefühl machen. Wie viel einfacher wäre es doch, die Schmetterlinge und dieses Überflieger-Gefühl zu erklären, wenn er mal verknallt wäre und diese ganzen irrationalen Gedanken und Gefühle als Referenz hätte. Aber nein, er will „nur“ die Welt verstehen und sich maximal auf diesen Zustand vorbereiten. Typisch.

Wir reden also darüber, wie verknallt sein so ist, wenn man die andere Person so unglaublich toll und anziehend findet. Wir reden auch darüber, wie es ist, wenn dieses Gefühl wechselseitig ist, dieses Wow, dieses sich-gegenseitig-immer-wieder-bestätigen-müssen. Ping-Pong-Kommunikation, die glücklich macht. Und dann dieses Gefühl, man wolle der anderen Person gern ständig nah sein, man möchte so viel wie möglich erfahren über sie, möchte ihr eventuell auch körperlich nah sein und auch über Kuscheln hinaus.

Das ist der Punkt, der Junior am meisten wundert, das kann er sich nicht vorstellen, warum sollten Menschen Sex haben, wenn sie keinen Nachwuchs zeugen wollen – völlig unerklärlich. Aber sein Unverständnis ist völlig okay so, kommt vermutlich alles noch. Wir reden also über Verliebtsein, über Liebe, so wie ich sie mir erkläre und wie sie sich für mich anfühlt, über verschiedene Arten von Liebe und auch über die körperliche Seite. Ich bin da immer offen Junior gegenüber, weil ich finde, nur wenn man drüber spricht, verliert es das „Verbotene“. Wir reden auch darüber, was okay ist und was nicht, dass sich immer beide (oder alle) Beteiligten gut dabei fühlen müssen und wenn nicht: Sein lassen. Reden ja, Druck ausüben nein.

Junior erzählt, dass Mitschüler das Wort „schwul“ als Schimpfwort benutzen und dass das doch nicht okay sei. Also sprechen wir auch darüber. Mal wieder. Denn Junior weiß schon, wie dumm ich dieses Verhalten seiner Klassenkameraden finde. Mich macht das immer sehr ärgerlich, wie unreflektiert und schlicht die Kinder (und damit die Eltern) heute immer noch sind. Wir sprechen über die Liebe. Zwischen Menschen. Denn letztlich ist es doch egal, welcher Art sie ist und welchem Menschen gegenüber wir so empfinden. Schon Goethe sagte:

Gegen große Vorzüge eines andern gibt es kein Rettungsmittel als die Liebe.

Johann Wolfgang von Goethe

Wir kommen zu dem Schluss, dass wir viele Menschen lieben können und dass unsere Liebe davon nicht weniger wird. Aber dass sie auch weh tun kann, wenn wir nicht auf Gegenliebe stoßen. Alles so kompliziert. Aber wir sprechen darüber. Und ich glaub, das ist auch ganz gut so, denn Junior kommt bislang mit allen seinen Fragen zu mir, hört zu, diskutiert mit mir, ordnet die Informationen für sich ein. Stellt Fragen immer wieder, manche kommen neu dazu.

In diesem Gespräch neu: Die technische Seite von Sex. Wie genau müssen denn die Körper angeordnet sein, damit das klappt? Gar nicht so einfach zu erklären, ich muss auch immer wieder nachfragen, wie genau er es denn wissen will. Denn auch hier gilt: Reden ja, überfordern nein.

Aber hinterher habe ich den Eindruck, dass ich die richtigen Worte gefunden habe. Alles vorerst am richtigen Fleck einsortiert. Denn Junior sagt: „Du bist die beste Mama, auch weil du mir diese Dinge erklärst.“ Für mich bleibt es, wie es immer war. Ich antworte auf Fragen, versuche sie so zu besprechen, dass Junior weiter darüber nachdenken und für sich bearbeiten kann. Es gibt keine Themen, auf die ich nicht antworte, manchmal aber muss ich selbst erst darüber nachdenken, was genau ich sagen will. Gerade bei harten Themen, denn auch Verbrechen, Kriege und Politik wollen erklärt werden. Anders anspruchsvoll, aber sie können uns gleichermaßen beschäftigen wie Liebe und Sex.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

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