Ich saß nur noch da und hörte zu. Was für eine Stimme. Ich hätte diesem Mann ewig zuhören können, ganz egal, was er sagt. Meine Fragen stellte ich zwar schon noch, aber letztlich hing ich einfach nur an seinen Lippen und bekam gar nicht so viel mit von seinen klugen Gedanken. Ich schaffte es aber, dieses Interview zu Ende zu bringen, auch wenn ich ihn oft einfach erzählen ließ, ohne mir zu überlegen, wie die Antworten kommen müssten, damit ich sie gut für meinen Radio-Beitrag verwenden könnte. Es wurde ein langes Interview, von dem ich auch heute noch die Original-Aufnahme besitze. Damals überlegte ich kurz, ob ich nicht anfangen sollte, Biologie zu studieren, um diesen Mann häufiger im Ohr zu haben.

Es ist schon viele Jahre her, damals habe ich noch das Wissenschaftsressort bei „meinem“ Campusradio Hertz 87.9 in Bielefeld geleitet. Ich plante eine Sondersendung zum Thema Evolution und war auf der Suche nach Interview-Partner*innen. Klar, dass ich da zuerst an unserer Uni suchte und zu den Evolutionsbiologen ging, nämlich zu Professor Klaus Reinhold. Ich wusste nicht, wie spannend es sein könnte, etwas über die sexuelle Selektion bei Feldheuschrecken zu erfahren, bis ich dann da saß und völlig vereinnahmt war.

Dieser Mann konnte erzählen – kann er vermutlich heute auch noch. Und die Attraktivität seiner Stimme und seines Vortrags sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Es gab dann sogar ein paar Abende, in denen ich freiwillig in der Uni blieb, weil dieser Mann einen Vortrag bei einer offenen Ringvorlesung hielt oder im Rahmen eines Kolloquiums sprach. Wirklich ein Genuss, ihm zuzuhören.

Eigene Stimme – gleicher Effekt?

Seit ich meine Podcasts habe, bekomme ich selbst häufiger Komplimente zu meiner Stimme. Klar, die ist durch meine Radio-Vergangenheit geschult, ich habe doch einiges gelernt in meiner aktiven Radio- und Medientrainer-Zeit. Außerdem benutze ich sie einfach gern, weil ich ja weiß, was für einen Unterschied es machen kann, wie ich formuliere, aber auch wie ich präsentiere. Ich kann mit meiner Stimme Stimmungen beeinflussen, begeistern, beruhigen. Es ist wie ein Spiel.

[Über die Wirkung von Stimme habe ich vor einiger Zeit mit Stimm-Coach Kirsten Mall in meinem Verbindung schaffen Podcast gesprochen – da haben uns über die verbindende Wirkung von Stimme und Ausdruck ausgetauscht.]

Letztens wurde mir dann gesagt, es sei eigentlich egal, was ich sage – meine Stimme habe auch ohne Kontext ihre Wirkung. Das hat mich dann doch beschäftigt, denn ich möchte doch gern, dass die Menschen mir zuhören – und zwar auch, weil sie meine Gedanken interessant finden. Aber als ich dann an Professor Reinhold dachte, wusste ich, wie es gemeint war.

Ich frage mich trotzdem: Könnte ich auch Unsinn reden oder Texte vorlesen, die (in meinen Augen) nicht attraktiv sind? Mal sehen, vielleicht teste ich das mal aus und frage bei den entsprechenden Menschen nach, ob sie meine Testobjekte sein wollen.

Große Stimmen, tolle Stimmen?

Wenn ich an Musiker denke, große Künstler und Sängerinnen, bei denen ich Gänsehaut bekomme, wenn ich sie höre, dann ist das doch noch mal ein Unterschied. Ich bin zwar fasziniert von Menschen, die einfach grandios singen können, zuletzt immer wieder von Marijn van der Meer von der niederländischen Band HAEVN, aber es ist nicht das gleiche.

Einerseits glaube ich, dass die Stimmen, die uns im Alltag begegnen, noch einmal ganz anders klingen, wenn wir eine Verbindung zu den Menschen haben. Und dann bin ich auch einfach eine Frau des Worts. Mich begeistern tolle Erzähler*innen-Stimmen mehr als Gesangs-Stimmen. Ich mag zum Beispiel nicht so gern Hörbücher, weil ich lieber meine eigene Stimme nutze, um die Geschichte zu erzählen, und wenn es nur in meinem Kopf ist. Aber wenn zum Beispiel Hannes Jaenicke liest, dann überlege ich es mir meistens doch zweimal. Der klingt einfach gut in meinem Ohr, vor allem wenn er liest.

Wenn es richtig klingt, dann hat das für mich auch wieder so einen Welt-ausschalten-Effekt. Dann kann ich mich konzentrieren auf den Klang, der mir langsam ins Ohr, in den Kopf und vielleicht auch ins Herz kriecht. Ich finde das wunderbar. Und bin unglaublich froh, wenn meine Stimme für andere auch manchmal diesen Effekt hat. Völlig vereinnahmt.

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