Manchmal saß er an der Bar, manchmal mitten im Gastraum. Er saß immer da, wo er sie gut sehen konnte. Oft kam er erst gegen Feierabend, aber dann war die Magie nicht mehr so gut zu spüren. Am besten war es, wenn der Laden voll war, sie alle Hände voll zu tun hatte, ihm nur im Vorbeilaufen einen flüchtigen Kuss gab und über die Schulter rief: Wird spät heute, du siehst ja was hier los ist!
Er liebte es, ihr zuzuschauen. Wie sie von Tisch zu Tisch lief, von Gast zu Gast, Bestellungen aufnahm, dann zurück zur Bar, Bier anzapfen, Cola eingießen, Bestellungen in die Küche, kurze Notiz mit Sonderwunsch, damit auch wirklich alles so zum Tisch kam, wie es bestellt war. Sie bewegte sich routiniert, sicher, jeder Handgriff saß. Und wie sie lächelte. Das liebte er am meisten. Sie strahlte, wenn sie mit den Gästen sprach, und auch dann, wenn sie die Kaffeemaschine bediente. Er wollte sie gar nicht stören dabei, schaute sie nur an.
Er verliebte sich immer ein bisschen mehr in sie, wenn er sie so sah. Weil es das war, in dem sie so aufging, in dem sie so gut war. Das war nicht einfach ein Job, das war sie. Meistens saß er da, bis sie allen gesagt hatte, dass das jetzt die letzte Runde war. Er blieb auch sitzen, während sie putzte, die Abrechnung machte, und einfach immer weiter lächelte. So sollte sie immer sein, dachte er.
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Kennst du solche Situationen, in denen jemand etwas tut, das ihm oder ihr besonders liegt, und jemand schaut dabei zu und erkennt, dass diese Situation besonders ist? Dass dieser Mensch besonders ist?
Im Film gibt es auch solche Szenen, zum Beispiel wenn jemand in einem unbeobachteten Moment anfängt zu singen (unter der Dusche vielleicht, oder in der Küche). Jemand hört das und es gibt so einen Wow-Moment, denn der zuhörende Mensch ist völlig vereinnahmt von der Stimme, wusste er doch vorher nichts von diesem Spezial-Talent.
Wie in der kleinen Geschichte oben müssen das keine Ausnahme-Fähigkeiten sein, es sind eher Tätigkeiten, die wir als ganz normal empfinden. Ach das bisschen Herumgesinge ist doch nichts Besonderes. Das Kellnern auch nicht.
Aber die Art und Weise ist das Besondere daran. Da zeigt sich eine Seite, die sonst so nicht sichtbar ist, im normalen Alltag, oder die bisher nicht bekannt war. Und dann entsteht dieses Wow. Und man möchte zuschauen, wie dieser Mensch da gerade in seiner Aufgabe aufgeht. Wie er strahlt.
Manchmal passiert das auch, wenn Menschen über ihr Thema sprechen, wenn sie erzählen von spannenden Erkenntnissen, von dem, womit sie sich beschäftigen, oder dem, was sie bewegt. Dann strahlen diese Menschen, man verliebt sich ein bisschen in diese Seite von ihnen.
Und man fragt sich vielleicht: Kann nur ich das sehen oder sehen das alle? Haben sich gerade alle hier verliebt? In die Stimme, die Bewegungen, dieses Leuchten, das Lächeln? Kann man das spüren, wenn Menschen aus dem Inneren so sehr leuchten, dass man ihnen nur noch zuschauen oder zuhören möchte?
Ich glaube schon. Alle könnten dieses Strahlen sehen oder hören, wären sie nur aufmerksam genug. Und das ist sicher nicht immer der Stoff für Filme oder andere Geschichten. Aber es ist der Stoff, der im Gedächtnis bleibt.
Es ist übrigens eine wahre Geschichte. Vielleicht sollte ich wieder kellnern.
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Ein Kommentar
So eine schöne Geschichte, liebe Anna! Tu das unbedingt, sobald es die Umstände erlauben. Das eine (Texten) schliesst das Andere (Kellnern) ja nicht aus, oder?