Es ist wieder passiert. Ich habe eine „für diese Sorte brauchst du keinen grünen Daumen, die ist unkaputtbar“ – Pflanze getötet. Also… sie ist eingegangen. Erst ein bisschen, dann ganz. Also so richtig. Dabei habe ich alles genau so gemacht, wie es in der Anleitung stand.

Okay, vielleicht habe ich ein, zwei Mal das Gießen vergessen und es dann (leicht) verspätet nachgeholt. Aber ich habe nie zu viel gegossen, das ging gar nicht, ist so ein System für Blöde, ich musste nur auf die Wassertank-Anzeige schauen. Und trotzdem ist sie einfach eingegangen. Dabei sollte sie doch meine Luft reinigen.

Na ja. Jetzt habe ich sie ersetzt. Bin einfach zum Pflanzen-Laden gefahren und habe eine neue Pflanze der gleichen Art gekauft. War ein bisschen stolz auf mich, dass ich sie erkannt habe, obwohl da kein Schild war. Gut, war Bogenhanf, ist nicht so schwer zu erkennen. Trotzdem.

Also diese Sache mit den Pflanzen… Ich bin da einfach nicht gut drin. Es ist etwas, das ich nicht kann. Die einzigen Pflanzen, die jetzt schon sehr lange bei mir leben, sind Grünlilien und zwei Aloe-Vera-Pflanzen (die brauchen ja auch nur alle Jubeljahre nen Schnapsglas Wasser). Ach, und dann habe ich noch zwei Flammende Käthchen, die auch immer wieder blühen, sehr hübsch, aber sie wuchern auch über die komplette Fensterbank. Mich stört das ja nicht, aber wenn ich die im Laden sehe, denk ich immer, meine könnten doch vielleicht auch so hübsch dicht und in die Höhe wachsen… Nu ja.

Ich habe also keinen grünen Daumen. Teste mich ruhig, bei mir sterben selbst die 100-Prozent-idiotensicher-Systeme, die mit den schlauen Sprüchen: „Funktioniert immer!“, „Unkaputtbar!“, „Pflanzen für Menschen, bei denen selbst Kakteen eingehen.“ Das bin ich. Bei mir haben es Pflanzen schwer.

Es ist okay, Dinge nicht zu können. Bei manchen frage ich mich bloß, woran es liegt. Ist das vielleicht Desinteresse meinerseits? Tue ich nicht genug? Oder habe ich einfach kein Gefühl dafür? Anfang der Sommerferien haben Junior und ich eine alte Palme umgetopft, um sie vielleicht noch zu retten, sie sah aber schon sehr mitgenommen aus. Und bis jetzt sieht sie nicht viel besser aus, vielleicht war es zu spät für sie, wer weiß.

Wenn es Desinteresse ist, dann wäre ich ein Fiesling

Mir ging dann ein Gedanke durch den Kopf: Wenn ich nämlich aus Desinteresse oder Unaufmerksamkeit meine Pflanzen sterben lasse, wie soll ich dann erklären, dass ich mit Menschen nicht immer gut bin? Was ich nämlich auch nicht gut kann, ist, mir Namen zu merken. Ich weiß nicht, wie oft mir das schon passiert ist, dass ich dachte: Diesen Menschen kennst du irgendwoher, das ist der von da und da oder die Freundin von dem und dem. Aber Namen? Keine Chance. Nicht mal bei Leuten, die ich häufiger sehe, wie zum Beispiel Menschen, die ich von Online-Events kenne und die sich in der gleichen Community bewegen wie ich, die ich also immer wieder sehe. Ich kenne die, aber ich kann dir nicht sagen, wie sie heißen.

Wenn ich dann jemandem etwas über eine dieser Personen erzählen will, muss ich es oft lang und ausführlich umschreiben (woher kennen wir diese Person, was hat sie gesagt, was hat sie gemacht, wann war sie da… und so weiter). Und habe ich Menschen vor mir, die sich ihrerseits gut Namen merken können, dann kommen die meist auch schnell drauf, wen ich meine. Beim nächsten Treffen habe ich den Namen dann aber wieder vergessen. Ist das dann Ignoranz? Denn mein Gedächtnis ist ansonsten ganz gut…

So schlecht ich darin bin, mir Namen zu merken, umso besser geht es mit Nummern. Telefonnummern, meine alte IBAN, meine aktuelle auch (zumindest die von meinem privaten Girokonto, die vom Geschäftskonto nicht, da mache ich fast alles in der App). Geburtstage. Sogar mit Jahr. Selbst von Leuten, deren Namen mir manchmal nicht einfallen. Völlig irre ist das.

Und dann sind da noch die ganzen anderen Dinge, die in meinem Kopf sind: Ich kann zum Beispiel fast immer sagen, was in meinem Kühlschrank ist (und was nicht). Sowieso habe ich den Stand unserer Vorräte meist ziemlich vollständig parat, muss nicht nachsehen, bevor ich eine Einkaufsliste schreibe. Ich kann ganze Szenen und Dialoge, die ich erlebt und geführt habe, in meinem Kopf abspielen. Wie ein Film. Also es ist sicher nicht so, dass ich mir Dinge nicht merken kann. Aber Namen… Tja.

Ich kann viele Dinge nicht gut.

Sicher, mit diesen Makeln, die ich hier beschrieben habe, kann ich gut leben. Es gibt aber noch viel mehr Dinge, die ich nicht gut kann. Ich habe zum Beispiel keine Geduld für Handarbeiten, obwohl ich immer stolz darauf war, wenn ich einen Knopf wieder angenäht oder eine Naht wieder zusammengezurrt hatte. So richtig schön ist das nie geworden, dafür fehlte es mir einfach an Ehrgeiz. Nähen mit der Maschine? Hat mich nie interessiert. Und gleichzeitig bewundere ich dann die Ergebnisse, wenn andere sich Kissenbezüge, Kleidung, Mützen oder Taschen nähen.

Ich habe auch nie so richtig Tippen gelernt. Mein System ist ein 7-8-Finger-Suchsystem und ich kann zwar Tippen, ohne auf meine Finger zu schauen, aber eben nicht wirklich systematisch. Auch da fehlte es mir einfach an Ehrgeiz – ich hatte nie Lust, mich damit zu beschäftigen. Als Texterin.

Sowieso gibt es viele Dinge, die ich gelernt habe, also die Grundlagen, so weit, dass ich etwas tun kann, umsetzen kann. Aber die Feinheiten, das Filigrane, die verbesserte Technik… Das ist meistens das, was mich eher nervt als interessiert. Ich kann mich zwar auch tief in Themen einarbeiten, versinken in dem, was Interessant ist, aber viele Dinge bleiben oberflächlich, weil ich keine weitere Energie verwenden möchte. Perfektionismus ist also in vielen Dingen gar nicht das Ziel, nur bei großen Text-Projekten, da erwische ich mich ständig dabei, Dinge besser und besser und noch besser machen zu wollen.

So. Und warum heute dieser Text? Weil ich das Bedürfnis hatte, mal über Dinge zu schreiben, die nicht so shiny sind. Dinge, die schiefgehen. Kaputtgehen. Unsauber laufen. Ja klar, das sind jetzt keine lebenswichtigen Dinge (obwohl die Pflanzen das sicher anders sehen!) , aber es zeigt: Es gibt so viele Dinge, die ich nicht kann. Davon geht nicht die Welt unter, aber merkwürdig ist es schon, oder?

Vielleicht sollte ich mal eine Liste davon machen. Oder aber doch nicht, denn gerade erinnere ich mich an Volker Mauck, ehemaliger Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der mal sagte, er könne aus Texten, die Menschen bei LinkedIn veröffentlichen, ihre Krankheiten herauslesen. Nee nee. Also morgen wieder schöne Geschichten.

Gibt es Dinge, die du nicht gut kannst?

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3 Antworten

  1. […] Dieser Artikel ist in Anna Koschinskis langer Blognacht entstanden. Den Impuls „Dafür schlägt mein Herz“ habe ich nicht bearbeitet. Das einzige, was in meinem Text schlägt sind die Finger auf die Tastatur. Inspiriert hat mich Anna trotzdem zu diesem Text, denn in diesem Artikel geht es unter anderem ums Tastenschreiben. […]

  2. Liebe Anna, dein Text macht mich nachdenklich. Ich muss leider feststellen, dass ich nicht zuhören kann. Ich kann Stimmungen spüren, den Raum lesen, Texte interpretieren und meine Intuition ist unschlagbar. Aber nach einem persönlichen Gespräch – Tage später – fällt mir auf, dass ich einen Hinweis nicht aufgenommen habe, dass ich abgelenkt war, nicht im Moment und dass da noch mehr zu Sagen gewesen wäre. Und frage ich mich, ob ich das jemals lernen werde. Liebe Grüße!

  3. Liebe Anna, deinen Text könnte ich ohne Weiteres unterschreiben: Ich habe in der 9. einen Schreibmaschinenkurs belegt und tippe heute trotzdem in einem komplett anarchistischen Stil, obwohl ich Romane schreibe und täglich im Beruf hunderte von Codezeilen. Ich bin gelernter Landschaftsgärtner und bekomme kaum Gemüse angebaut, Pflanzen müssen bei mir von selbst klarkommen, sonst haben sie keine Chance. Aber ist all das schlimm? Das Netz ist voll von Lichtgestalten, deren Fähigkeiten uns faszinieren. Aber ich bin sicher, dass auch sie ganz viele Dinge nicht gut können, wahrscheinlich sogar schlechter als viele ihrer Mitmenschen. Mir sagte mal jemand: Jeder Mensch hat nur hundert Prozent. Damit komme ich gut klar.

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