Ich hatte ihn gar nicht mehr gesehen, hatte ihn ausgeblendet, wie das oft so ist, wenn wir Dinge und Botschaften zu oft sehen. Dann integrieren sie sich selbst in den Alltag, in die Szene. Der Aufruf-Charakter verliert sich, die Botschaft ist nicht mehr sichtbar, sie ist halt da. Aber ganz plötzlich rutschte er mir wieder ins Blickfeld, hatte meine Aufmerksamkeit erregt und auch gehalten – dieser kleine Aufkleber in meinem Kalender: You got this! Der klebt natürlich in der Wochenansicht meines Kalenders in der letzten Februar-Woche. Denn schon im Dezember wusste ich, dass ich Ende Februar wieder etwas geschafft haben würde, ganz egal, was passiert.

Seit acht Jahren mache ich das jetzt, 28 Tage Content, dieses vierwöchige Programm, das Menschen ins Schreiben bringt. Nicht alle. Nicht immer läuft es, wie wir uns das vorstellen, aber ich kann eben auch nicht zaubern, nur Angebote machen. Seit acht Jahren also ist mein Februar gefüllt mit Schreiben, mit Text, mit Feedback, mit Beratung, mit Zweifeln, mit Motivationsproblemen, aber auch mit Mut und Flow.

Es ist immer inspirierend, es ist aufregend, es bringt mir sehr viel Freude und Begeisterung. Und es ist auch immer anstrengend. Daher hatte ich mir den Aufkleber in Kalender geklebt. Damit ich sehe: Ich habe es geschafft! Ich habs wieder mal hingekriegt. Keine technischen Probleme diesmal, keine Störungen im Ablauf.

Ja, da waren ein paar Rückmeldungen von Schreibenden, die ihr Ziel nicht erreicht hatten, aber dafür kann ich nichts. Wenn mich niemand fragt, dann kann ich auch nicht helfen. Das ist wie Essen im Restaurant zurückgehen lassen zu wollen, das man schon gegessen hat. Und ich weiß es doch: Ich kann nicht alle glücklich machen und das ist auch nicht mein Job.

Aber ich, ich sollte glücklich sein. Das wollte ich mir mit dem Aufkleber sagen.

Es hätte doch aber viel besser laufen können!

Schon meldet sich mein blödes Gehirn: Ja, hast du geschafft. Aber war ja auch nicht so erfolgreich dieses Jahr. Nicht so viele Teilnehmer*innen, du konntest einfach nicht genug Menschen überzeugen. Also bei der Menge hättest du auch noch ganz andere Sachen schaffen können!

Und das stimmt. Die Zeit, die ich „gespart“ habe, weil ich nicht so viele Texte lesen musste, habe ich in Kreation gesteckt. Habe Themen neu geschrieben, habe Impulse neu aufgedröselt, habe mich auf die Wurzeln meines Schreibdidaktik-Lehrgangs besonnen und einige neue Zugänge zum Schreiben entdeckt oder nutzbar gemacht.

Ich hatte nicht weniger zu tun, es war nur anders. Aber klar, hätte ich auch einfacher haben können.

Ein Grund zum Feiern

Ich habe den Aufkleber nicht mehr gesehen, wollte es vielleicht nicht. Ich habe auch meinen Kalender nicht umgeblättert, als sei es noch gar nicht März, als sei da noch etwas, das eben nicht fertig ist. Es ist noch keine Zeit zum Feiern.

Wie bescheuert. Denn hey, es gibt immer einen Grund zum Feiern! So wie ich immer sage: Es gibt immer einen Grund für Käsekuchen! Bei allen anderen sage ich das. Junior hat sein erstes halbes Jahr Gymnasium geschafft? Super, das muss gefeiert werden! Eine Freundin hat wieder mal eine Gehaltserhöhung und richtig tolles Feedback vom Chef bekommen? Perfekt, dafür gehen wir aus und feiern sie ganz groß! Ein Freund erreicht seine persönlichen Ziele und setzt sich neue, arbeitet super konsequent daran? Krass, lass uns das feiern!

Nur ich, ich hab das große Projekt immer noch nicht fertig. Kein Wachstum, kein Höher-Schneller-Weiter für mich im vergangenen Jahr und auch jetzt nicht. Kein Grund zum Feiern, oder?

Wie schaffen wir es, die Aufkleber zu sehen, die Botschaften zu glauben, die Erfolge auch als Erfolge anzusehen? Ich seh die Rückmeldungen, sie sind ja da, allerdings auch nicht so viele im vergangenen Jahr. Es scheint immer noch ein Thema zu sein, seine Stimme öffentlich einzusetzen, um Empfehlungen auszusprechen. Schade. Aber es sind ja welche da, ich muss sie nur sehen.

Möchtest du mit mir feiern? Für ein geschriebenes, aber noch nicht fertiges Buch, für ein Programm, das für so viele Teilnehmerinnen hilfreich war und ist, für all die Termine, die ich zwischendurch auch noch erledigt habe? Für den Mut vielleicht, doch weiterzumachen, auch wenn es möglicherweise nicht das beste Ergebnis wird? Und für die Beharrlichkeit, immer weiterzugehen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wohin?

Ich werde morgen was Schönes machen. Was Schönes essen. Eine gute Zeit haben. Gute Gefühle und so, du weißt schon. Wofür und womit kannst du dich heute feiern?

Dieser Beitrag ist in der 53. Blognacht entstanden. Das Impulsthema: „Ein Grund zum Feiern“

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

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