Dieses Jahr ist es besonders merkwürdig, anders als sonst. Während ich sonst im November eher betrübt bin und versuche, möglichst wenig zu fühlen, habe ich in diesem Jahr den Eindruck, alles doppelt und dreifach intensiv wahrzunehmen. Ja, die Trauer, aber auch alles andere. Als wären meine Sinne durchgedreht – selbst der Geruchssinn, der ja sonst eher eine untergeordnete Rolle in meinem Leben spielt.

Vielleicht ist das eher untypisch, aber ich spüre und höre, ob Dinge stimmig sind. Visuelles ist mir zwar zur Orientierung wichtig, aber wenn es um die wichtigen Dinge geht, dann muss es richtig klingen und sich richtig anfühlen. Aber derzeit ist das gar nicht so einfach, weil ich so hypersensibel durch die Welt laufe.

Ich sehe jede Kleinigkeit in den schärfsten Konturen und den klarsten Farben, jede Berührung ist irgendwas zwischen Feuerwerk und zu viel, selbst meine eigenen fühlen sich irre an. Als wären meine Fingerkuppen mit Sondersensoren ausgestattet. Ich spüre Wärme intensiver als sonst. Stimmen klingen greller als sonst, obwohl ich da eh schon immer sensibel war. Angenehme Stimmen klingen aber dafür noch einnehmender, ich kann mich kaum entziehen, wenn es gut klingt.

Und dann sind da noch diese Gerüche, die ich gar nicht zuordnen kann, weil ich ja sonst eher gar nichts rieche. Jetzt aber nehme ich unangenehme Gerüche wahr und auch solche, die mir völlig unbekannt scheinen. Es ist, als hätte mein Gehirn beschlossen, mir von allem ein bisschen mehr zu geben. Vorweihnachtliches Geschenk oder so.

Zu viel?

Auf diese Weise sensibilisiert mit mir allein zu sein, ist okay. Ich wundere mich über verschiedene Wahrnehmungen, mir fallen Dinge auf, die ich sonst nicht bemerken würde, zumindest nicht bewusst. Aber das ist nur merkwürdig, verwunderlich, aber nicht bedrohlich oder schwer auszuhalten.

Bin ich aber mit anderen zusammen, merke ich, wie ich in Sprache Dinge hineininterpretieren will, oder glaube, etwas zu hören, das gar nicht da ist. Der Logiker in mir zeigt mir den Vogel, aber ich sitze da, höre zu und sehe Gefühle oder Geschichten.

In einer Umarmung fahre ich runter, das funktioniert immer. Und gleichzeitig spüre ich jede kleinste Bewegung, den Herzschlag, nicht nur meinen, sondern beide. Berührungen fühlen sich an wie kleine Blitze, die in meine Haut einschlagen. Oder auch wahlweise als könnten sie sich ausbreiten, so als könnte ein Fingertippen am Rücken über den ganzen Körper schwappen. Nein, nicht schwappen, eher fließen.

Ein Tag mit dem Mann an meiner Seite, merke ich, ist so wie immer, nur anders. Mein Alltag bleibt ja mein Alltag, nur sehe ich ihn anders als sonst. Und ich fühle mehr. Nun bleibe ich immer noch ich, klar, und sortiere das für mich. Aber es fühlt sich schon krass an.

Unwirklich erzählt

Ich könnte mich jetzt hinsetzen und Geschichten schreiben, aber ungeordnet. Das irritiert mich auch. Denn meistens haben meine Texte eine klare Richtung, ein Thema, den berühmten roten Faden zu finden, ist nicht so schwer. Jetzt aber fühlt es sich so an, als wären die Geschichten verwoben und ich müsste sie erst entwirren, bevor sie Sinn ergeben.

Eine interessante Erfahrung für mich, die ich Klarheit über alle Maßen schätze. Im Erleben, im Schreiben, im Erzählen. Wenn es geht, auch im Fühlen. Ist gerade schwierig. Aber interessant.

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2 Antworten

  1. Liebe Anna,

    auch eine völlig andere Erfahrung ist etwas wunderschönes. Bin gerade voll bei dir, was die Intensität der Sinneswahrnehmung betrifft.

    Grüßle von Edith

    • Liebe Edith,

      ist vielleicht eine Aufforderung: Schau genau hin, hör genau hin, fühl genau hin… Ich find es ganz schön anstrengend ehrlich gesagt, aber auch cool. Mal sehen, wie lange das anhält 🙂

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