Gestern schreibt mich eine Freundin an, deren Sohn gemeinsam mit Junior im Kickbox-Kurs ist. Sie schaffe es nicht, ihren Sohn zum Training zu fahren, denn da gäbe es eine Termin-Kollision mit einem Kurs der Tochter. Nun fragt sie, ob ich die Jungs zusammen zum Kickboxen fahren würde. Schon wieder. Denn das passiert ab und zu, dass ich einen oder beide Wege übernehme. Ihr ist das immer unangenehm, aber für mich ist es einfach nur, was es ist: Karma.
Insgeheim freue ich mich immer ein bisschen, wenn ich helfen kann, denn das ist ein gutes Gefühl. Etwas tun zu können, einfach so, weil es anderen gerade hilft. Und ein schlechtes Gewissen ist da völlig fehl am Platz. Denn dieses „Du hilfst mir und ich muss es DIR dann zurückgeben“ – das funktioniert so nicht. Früher habe ich das auch nicht verstanden, aber seit Jahren lebe ich sehr gut mit dem Gedanken, dass es nicht darum geht, dass die eine Hand die andere wäscht. Es geht um eine Art Kreislauf.
Habe ich gerade Zeit, Energie und andere Ressourcen, dann kann ich helfen. Und zwar denen, die es gerade brauchen. Und das sind nicht zwangsläufig die, die mir irgendwann mal geholfen haben, als ich Hilfe brauchte.
Geben und Nehmen
Gerade mit Junior hatte ich so viel Hilfe – als er noch klein war, als ich ab und zu einen Babysitter brauchte oder eine Fahrgelegenheit oder beides. Ich habe nicht mitgezählt, wie oft er damals bei meinen Nachbarn oder bei einer seiner Tanten war, weil ich arbeiten musste oder andere Termine hatte. Oder aber es gab Arbeitstermine, die länger dauerten, zum Beispiel Trainings und Workshops, sodass ich Junior nicht von der Kita abholen konnte.
Meistens habe ich aber jemanden gefunden, der ihn dann mitgenommen hat, oft waren das Mütter von Kita-Freunden und -Freundinnen – das war unkompliziert und die Kids freuten sich auf ihr Playdate und die zusätzliche Spielzeit. Sie haben mir geholfen, ohne dass ich explizit jedes Bringen und Aufpassen zurückgegeben habe. Es war eher so, dass alle Beteiligten wussten: Ich brauch gerade Unterstützung und die andere Person hatte die nötigen Ressourcen.
Heute brauche ich nur noch selten jemanden, der Junior abholt oder irgendwohin mitnimmt, weil ich gelernt habe, besser zu planen und weil Junior viel auch einfach schon allein machen kann. Aber die Freundin hat zwei Kinder. Zwei Mal Termine, zwei Mal Sport, Musik, Schule, Arzttermine, Elternabende und so weiter. Ich bin also die Flexiblere von uns.
Irgendwann
Von den Menschen, die Junior und mich unterstützt haben, als er noch klein war, sind nur noch wenige in unserem direkten Bekanntenkreis. Das heißt, bei vielen kann ich die Hilfe gar nicht mehr zurückgeben. Aber, wie schon gesagt, ich glaube so funktioniert das nicht.
Es ist eher so: Du bittest jemanden um Hilfe, weil du es gerade brauchst. Und du „bezahlst“ mit dem Versprechen, anderen zu helfen, wenn die etwas brauchen. Ich gebe also alles zurück, was ich bekommen habe, aber nicht direkt den Menschen, die etwas für mich getan haben. Wie ein Kreislauf eben.
Irgendwann wird die Mutter von Juniors Kickbox-Freund wieder mehr Ressourcen haben. Und vielleicht hat sie dann Bekannte oder Freunde, denen sie etwas zurückgeben kann. Und die Freunde, die mir damals mit Junior geholfen haben, kommen vielleicht irgendwann in die Situation, in der sie Unterstützung brauchen und werden dann hoffentlich die richtigen Menschen in ihrem Umfeld haben, die sie darum bitten können. Die mit den passenden Ressourcen, die sagen: Ich mach das gern und ich freu mich, wenn es dir hilft!
Es ist, wie so Vieles, eine Frage der Haltung. Und Gerechtigkeit ist nicht, wenn alle das gleiche bekommen, sondern wenn alle das bekommen, was sie brauchen.
Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.
2 Antworten
Toller letzter Satz, liebe Anna!
Und ich kenne das auch, dass ich jemanden bitten muss meine Tochter zu fahren oder abzuholen. Da ich nachmittags arbeite, können Verabredungen oft nur bei den Freundinnen stattfinden. Doch ich versuche etwas davon zurückzugeben, wenn ich Ferien habe. Das muss für mich nicht komplett 1 zu 1 sein, doch mir ist wichtig, dass ich das tue, wenn ich es denn kann. Es geht mir dabei nicht um Fairness, sondern um Gemeinschaft, gegenseitige Aufmerksamkeit und Anerkennung. Denn jede Mutter freut sich, wenn ihr Kind irgendwo anders glücklich spielt und sie gerade mal etwas Ruhe und Zeit für was auch immer hat.
Liebe Grüße
Carina
Danke dir! Aber ja, diese Situationen, die du beschreibst (und ich ja auch), die verstehen eben nur Eltern. Denn bevor wir Kinder haben, können wir uns eben nicht vorstellen, wie stressig es ist, duschen zu gehen, wenn gerade ein Kind schreit. Und bevor wir Kinder haben, können wir uns auch den Alltag nicht vorstellen und an welchen Stellen Hilfe benötigt wird. Daher glaube ich, ist es so wichtig, dass wir offen bleiben und genau zuhören. Und wenn jemand um Hilfe bittet und wir gerade Kapazität haben, dann helfen wir – egal ob wir es nun zurückbekommen oder nicht. Gemeinschaft, aber größer gedacht als es heutzutage üblich ist.
Liebe Grüße
Anna