Das war doch nicht schwer, sagt man leider viel zu oft. Ich sage: Danke für das Essen, so lecker! Und zurück kommt genau das: War ja nicht so schwer. Nur: Das mindert den Wert des Essens doch nicht. Leider gibt es diesen Glauben überall – und ich bin auch richtig gut darin!

Erst letztens stand ich überlegen an der Ampel, vor mir eine junge Frau, ich schätze eine Studentin, die Richtung Uni gefahren ist. Ich stand da mit meinem alten, selbst zusammengebastelten Fahrrad mit den 3 Gängen, von denen derzeit aber nur der 3. funktioniert. Sie hatte ein schickes E-Bike und schaltete sich die Finger wund, um beim Anfahren leichten Trittes davonzuradeln. Als ich mich also mühsam den kleinen Hügel hochquälte – mit Muskelkraft!!! – hörte ich mich selbst innerlich immer wieder sagen: Die macht es sich ja auch leicht. Braucht man doch gar nicht. Bielefeld ist ja nicht die Schweiz. Stromverschwendung. Tzzz…

Nur ein, zwei Minuten später dachte ich: Man Anna, du bist echt bekloppt. Ist doch gut, wenn wir es uns an den richtigen Stellen leicht machen können. Das Leben ist eh schon schwer genug. Bloß… ohne Schwierigkeiten keine Story – jedenfalls keine lange. Oder lesen wir Geschichten, die in etwa so gehen?

Sie gründeten eine Firma. Alles lief glatt und sie wurden erfolgreich. Sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.

Oder auch – ganz beliebt:

Sie bekam den Auftrag, ein Buch zu schreiben. Das machte sie. Ende.

Und an dieser Stelle kann ich noch mal den Geschichtenverkäufer von Jostein Gaarder zitieren:

„Es war zu leicht geworden, Bücher zu schreiben, und die Computer machten es noch leichter. Autoren, die auf altmodische Weise geschrieben hatten, also mit der Hand oder der Schreibmaschine, hielten per Computer verfaßte Bücher für zweitrangige Literatur, einfach weil der eigentliche Schreibprozeß zu einfach geworden war. Die Maschinen wurden zur Gefahr für die Dichtkunst erklärt, und der Dämon der Maschine war das, was ‚elektronische Textverarbeitung‘ genannt wurde. Ein verwandter Dämon war bereits in der Renaissance ausfindig gemacht worden, als viele glaubten, die Buchdruckerkunst bedrohe die Schriftkultur.“

Ich habe zwar auch mal Texte auf der Schreibmaschine geschrieben, aber die elektronische Textverarbeitung kam für meine Schreib-Karriere früh genug. Das ist mein Werkzeug, aber doch auch nur das, und nicht mehr.

Denn da ich weiterhin ohne „KI“ schreibe, sind es doch die Gedanken, die den Prozess in die Länge ziehen, nicht die technische Realisierung. Genau wie es beim Buchdruck war. Denn der Druck macht das Buch nicht weniger lesenswert. Es sind die Worte, die wir lesen oder eben nicht, egal, wie viel Mühe im Schreiben oder Tippen liegt. Diese Mühe nämlich können wir nicht erkennen, es sei denn, wir schreiben es ins Vorwort.

Auch die Leser und Leserinnen meiner Texte können nicht erkennen, wie viel Mühe die Erstellung gekostet hat. Ist aber ne gute Story.

Aus dem Ärmel geschüttelt und trotzdem stolz

Brauchen wir also ein Umdenken? Brauchen wir andere Geschichten? Ich habe heute eine Aufgabe erledigt, das fiel mir ganz leicht. Und das Ergebnis ist super geworden! Ich habe heute ein Problem gelöst, das ist mein Spezialgebiet, konnte den Fehler schnell identifizieren und beheben. Alle zufrieden. Ich habe eine gute Note in Englisch geschrieben, war easy. Freu mich total über das gute Ergebnis!

Damit sich diese Erzählungen aber durchsetzen, brauchen wir Menschen, die sich mitfreuen und nicht direkt mit der Gegenerzählung kommen: Na ja, das war ja auch nicht schwer, nichts Besonderes, das ist ja auch dein Lieblingsfach…

Ich jedenfalls fände es gut, wenn wir das mehr feiern könnten. Ich habe vor eineinhalb Jahren einen Blog aufgesetzt und den ersten Artikel geschrieben. Der erste Schritt war ganz leicht für mich, habe ich schon oft gemacht. Und ja, das ist ein ziemlich cooles Projekt!

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

2 Antworten

  1. Um die weise Anna zu zitieren: „Ihr durft es euch auch leicht machen.“

    Wenn wir etwas mit Freude tun, ist das spürbar für andere und wirkt sich auch positiv aufs Ergebnis aus.

    Ich bin froh, dass du die Verbindung zur Blignacht wieder gefunden hast und es weiter geht mit all der Leichtigkeit, die es für dich hat, Impulse zu geben, weil sie dich finden.

    Und wenn es dochmal anstrengend wird, im dritten Gang bergauf zu fahren, inne halten und hinterfragen, will ich das, brauche ich das?

    Alles Liebe
    Stephanie

    • Impulsgeberin sollte ich dann wohl auf die Visitenkarte drucken lassen?

      Ja, problematisch wird es da, wo wir es uns leicht machen und dann aber den Wert des Ergebnisses nicht mehr feiern können. Das wäre ja der Schluss aus meinen Gedanken. Solange wir nicht lernen, dass wir auch über aus dem Ärmel geschüttelte Dinge stolz sein können, machen wir es uns lieber NICHT leicht… Wäre doch schade, wenn wir zu allen Texten, die mit Leichtigkeit entstanden sind, nur noch sagen: „Ach der, das war doch nicht schwer…“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert