Da war er wieder. Dieser bittere Geschmack im Mund. Die Kundin, der ich zwei Webseiten (nicht Websites!) zu einem winzigkleinen Preis getextet habe, weil es bereits vorher eine Zusammenarbeit zu diesen Seiten gab, möchte die Rechnung nicht bezahlen. Sie meint, sie hätte Anspruch auf eine Korrektur. Dabei ist dies kein gewöhnlicher Textauftrag, denn dann hätte er das Dreifache, vielleicht Vierfache gekostet. Es war ein „ich mach aus meinen Notizen Text“. Ein freundliches Anschluss-Angebot, fast geschenkt.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, ja, erschreckend, wie wenig wertschätzend selbstständige Dienstleister anderen Dienstleistern gegenüber sind. Die Kundin bekam schon in der Zusammenarbeit vorher mehr als im Angebot stand, denn ich gebe oft mehr, wenn es nicht viel Aufwand bedeutet. Dann sind Meetings länger, Zusatzfragen sind möglich, manchmal gibt es noch Impulse, Tipps oder Arbeitsblätter. Fühlt sich ja auch gut an als Kunde, wenn man mehr bekommt, ich kenn das ja selbst.

Aber die Erwartung, professionelle Arbeit geschenkt zu bekommen? Echt? Wie kommt man darauf? Ihre eigenen Arbeiten sollen geschätzt und gelobt (und bezahlt!) werden, aber die, die sie einkaufen, dürfen nichts kosten? Ein absurder Gedanke, aber er scheint weit verbreitet zu sein.

Die billig-will-ich-Kunden

Etwas ähnliches ist mir im März passiert, im Anschluss an mein Programm 28 Tage Content. Dieses Programm ist randvoll mit allem, was ich tue. Die Teilnehmer*innen wünschen sich bestimmte Themen? Ich erstelle Content dazu, beantworte Fragen. Sie brauchen Arbeitsblätter, Tools zum Brainstormen, zur Themenentwicklung? Kein Problem, kriegen sie. Es entsteht eine Diskussion über ein Thema, das gar nichts mit dem Programm zu tun hat? Ich beantworte die Fragen trotzdem. Manchmal erstelle ich extra ne Präsentation, so auch dieses Mal.

Und prompt kam eine Mail von einer Teilnehmerin: Können wir die Folien bekommen? Mit den Vorlagen und Formeln für gute Überschriften?

Ich bin immer ein bisschen fassungslos, wenn sowas kommt. Das Video mit dem spontanen Mini-Workshop und der Präsentation war über einen Monat lang verfügbar, zum Nachschauen. Da könnte man sich so viele Formeln mitschreiben wie man will. Aber nein, es soll ein Download sein, der dann in einem Ordner auf dem Rechner vergammelt. Aber Hauptsache, man hat was extra bekommen.

Nun wollte genau diese Kundin ein Anschluss-Coaching buchen, sie hatte sich alles schon genau überlegt, schon die Angebote auf meiner Website gecheckt, wollte gleich loslegen. Cool, so ein Elan, aber ich habe sie gebremst und ihr gesagt, man könne bei mir kein Coaching buchen, ohne mit mir zu sprechen. Denn ich möchte die Nasen kennenlernen, möchte wissen, wie sie ticken. Auch oder gerade im 1:1.

Gut nutzen oder ausnutzen? Die Grenzen sind fließend

Also eigentlich hatten wir ein Kennenlern-Gespräch, ein Verkaufsgespräch rückwärts sozusagen, denn sie wusste ja schon, dass sie kaufen wollte. Und dachte sich wohl: Dann möchte ich die Zeit möglichst gut nutzen! Und brachte alle Fragen mit, die sie hatte. Aber nicht zum Prozess, sondern zu ihrem Projekt.

Es war also eben kein Kennenlern-Gespräch, sondern ein Strategie-Gespräch, in dem ich inhaltlich bereits viele, viele Impulse gegeben und Fragen beantwortet habe. Eigentlich hatten wir also die Kick-off-Sitzung, den Auftakt für eine strategische Zusammenarbeit. Auch erste mögliche Schritte wurden besprochen, sie bekam Material von mir, damit sie direkt loslegen könnte.

Als ich dann mein Angebot geschickt hatte, wollte sie vor dem Abschluss noch einmal die eindeutige Bestätigung, dass dieses Gespräch nicht Teil des Coaching-Prozesses sein dürfe, es sei ja ein Kennenlern-Gespräch gewesen.

Wir sind dann nicht zusammengekommen, denn man stelle sich einen mehrmonatigen Prozess vor, in dem sie immer meint, zu wenig zu bekommen? Anstrengend.

Klar, ich habe den Rahmen gegeben und die Kommunikation ist meine Aufgabe. Bloß frage ich mich in solchen Fällen dann immer: Wie kommen diese Menschen im Leben zurecht? Wenn sie immer das Gefühl haben, zu wenig zu bekommen? Wenn sie nicht erkennen können, was andere geben, auch einfach so?

Wertschätzen, was man bekommt.

Ihr Menschen, die ihr immer glaubt, zu wenig zu bekommen. Die ihr meint, wenn ihr mit jemandem zusammenarbeitet, dann müsse dieser jemand immer verfügbar sein, müsse zwischendurch all eure Fragen beantworten (natürlich ohne etwas zu berechnen, das machst du doch nebenbei!), müsse euch alle Wünsche von den Augen ablesen: Würdet ihr selbst gern so behandelt werden?

Und ich geh sogar noch einen Schritt weiter: Schämt ihr euch nicht? Andere auszunutzen, sie nicht angemessen zu bezahlen, euch Leistungen zu erschleichen, weil jemand gutmütig ist oder engagiert?

Mein Junior sagte letztens, wie blöd es doch wäre, dass wir immer diese Rechnungen bezahlen müssen. Und ich sagte sofort: Nein, das ist nicht blöd, wenn wir doch etwas Tolles dafür bekommen!

Wenn meine Grafikdesignerin mir eine Rechnung schickt, dann bezahle ich sie mit Freude. Weil sie tolle Arbeit leistet. Und ich verlange keine genaue Aufschlüsselung, wenn ich ein Stundenpaket bei ihr gebucht habe. Wozu auch? Wenn ich weitere Bilder aus meinem Fotoshooting kaufe, dann bezahle ich die Rechnung und weiß: Damit kann ich jetzt weiterarbeiten. Ein schönes Gefühl.

Meine Texte und meine Beratung sind nicht überteuert oder unangemessen kalkuliert. Und ich habe so viele Kunden und Kundinnen, die gern die Rechnungen zahlen. Weil sie wissen, was sie bekommen (haben). Erst letztens habe ich ein Angebot verschickt und die Kundin schrieb zurück: „Genau so machen wir das. Ich vertrau dir und dem Prozess.“ – In diesen Fällen geht es übrigens auch gar nicht mehr um den Preis. Ein gutes Gefühl auf beiden Seiten.

Ich wünsche uns allen mehr Wertschätzung. Wenn ihr Discounter-Preise wollt, dann kauft doch bitte bei anderen Textern oder bei Agenturen, die euch Texte von ChatGPT verkaufen. Und dann arbeitet mit dem Ergebnis weiter. Ich wünsch euch viel Glück.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

3 Antworten

  1. Hallo Anna,

    I feel you!

    Als freie Journalistin bekomme ich hier und da Angebote, die mir zu niedrig sind, weil ich damit meinen (sowieso nicht allzu hoch kalkulierten) Stundenlohn nicht erreiche – und manchmal auch welche, die eine absolute Frechheit sind. Zum Beispiel: „10 Euro pro druckfertiger DIN-A4-Seite.“ Oder gleich etwas kostenlos schreiben – für kommerzielle Verwendung. Ja klar – lehne ich das ab.

    Ich sehe aber bei vielen Kollegen, vor allem Kolleginnen, dass sie sich echt willig ausbeuten lassen. Wenn ich höre, für welches Zeilen- oder Bildhonorar manche antreten, bleibt mir der Mund offen stehen.

    Ich kenne eine Frau, die kommt (bei einer anderen Zeitung als meiner) auf einen Stundenlohn von ca. 3 bis 5 Euro. Ich streite mich manchmal mit ihr, weil sie mit solchen Dumpingpreisen ja das allgemeine Lohnniveau unserer Branche drückt.

    Aber ach – sie macht die Arbeit halt so gern, und so richtig braucht sie das Geld doch nicht … grrr!

    Liebe Grüße
    Katja

    (Ich fand über Angela her 🙂

  2. Liebe Anna, vielen Dank für diesen schönen Post. ich erkenne vieles aus meinem aktuellen Job wieder (Software-Entwicklung). Da wird so vieles vorausgesetzt, „noch mal schnell das Feature rein schieben“, oder “ wie, das Meeting kostet jetzt was?“ und so weiter. Deine Zeilen haben mich noch einmal darim bestätigt, dass es nicht an den eigenen, sondern den Erwartungen des Gegenüber liegt. Und man auch hier klar seine Grenze ziehen darf, wenn nötig.

  3. Liebe Anna,
    Menschen, die im permanenten Mangelgefühl leben, sind zutiefst unglücklich – ist meine Antwort auf Deine Frage, wie diese Menschen denn sonst so im Leben zurecht kommen.
    Sie verbreiten ihre Unzufriedenheit um sich herum wie graue giftige Staubwolken, bei denen man husten muss.
    Und sind selbst genauso unglücklich damit. Dass sie sich schämen sollten – und dass sie perfekte Ausnutzer sind – ja, da hast Du recht.
    Aber das macht sie nicht glücklich.
    Also ein loose-loose-Zustand. Schade drum – und wichtig, es mal raus zu lassen, so wie Du hier im Beitrag, wenn man gerade wieder so ein Gegenüber erwischt hat.
    Und dann rumdrehen, Richtung ändern, Abstand gewinnen – und sich wieder mit den anderen umgeben, wo man sich gegenseitig gut tut.
    Schaff ich auch nicht immer ….. aber immer öfter!

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