Ein falsches Wort, ein unliebsames Thema, ein Post, der sofort die Emotionen hochkochen lässt. Wie kann der das nur schreiben? Was die da öffentlich macht, ist doch populistisch und falsch! Dieser Text ist doch nur eine persönliche Geschichte – das kann man doch so nicht verallgemeinern! Nee nee, das kann ich so nicht stehenlassen, da muss ich doch was sagen! Reaktionen auf Social Media sind oft hart an der Grenze zum Ertragbaren – zumindest für mich. Und das, obwohl ich selbst fast nie selbst von Hass und unangemessener Kommunikation betroffen bin. Ich beobachte nur und manchmal wird mir schlecht.
Ich denke, es war Peter Weinberger, der in unserem Podcast mal den Wunsch formulierte, Menschen sollten auf Social Media gütiger kommunizieren. Güte, so ein schöner Begriff. Wikipedia sagt, Güte sei „eine freundliche, wohlwollende und nachsichtige Einstellung gegenüber anderen“. Wohlwollen, genau. Und Nachsicht. Wie angenehm könnte es sein, würden wir Aussagen nicht auf uns persönlich beziehen und uns bewusst machen, dass hinter den meisten Accounts Menschen mit Geschichten stecken. Und mit Gefühlen.
Peter hatte damals im Podcast die Lösung vorgeschlagen, dass alle, die auf Social Media kommentieren, erst einmal weitere 5 mögliche Antworten formulieren sollten. Also bevor ich meinen ersten (möglicherweise unfreundlichen und emotionalen) Gedanken als Antwort unter einen Post klatsche, schreibe ich weitere 5 auf. Und dann wähle ich den gütigsten davon. Oder keinen. Denn oft ist dann der Drang, etwas kommentieren zu müssen, schon wieder verpufft.
Würden wir auf diese Weise das Übereilte, einfach so dahin Gesagte aus unserer Kommunikation streichen, wäre die Online-Welt sicher freundlicher. Denn selbst wenn du dich (wie ich) in einer sehr freundlichen, zugewandten Bubble bewegst, werden manchmal verletzende und völlig überflüssige Gedanken in Worte gegossen und veröffentlicht. Manchmal ist das Absicht, klar, auch ich kenne diese „Trolle“, die einem nur ans Bein pissen wollen. Aber in den meisten Fällen ist es bestimmt einfach unüberlegt und aus dem Impuls heraus, man müsse da doch widersprechen oder seinen Senf dazugeben.
Gütig einen Schritt zurück machen
Ja, auch ich kenne die „goldene Regel“ für Reichweite. Hass und Wut erzeugen viele Antworten, also Reichweite. Und Angst lässt uns Teilen, wir wollen ja nicht allein bleiben mit unseren schlechten Gefühlen. Für Liebe und Glück, für Spaß und gute Gefühle gibt es Daumen und Herzen, aber kaum etwas davon verlässt die Bubble. Dabei wäre es so wichtig, die guten Geschichten und Gefühle zu teilen. Denn die Gedanken, die gute Gefühle erzeugen, haben Auswirkungen auf die folgende Kommunikation. Und schon sind wir wieder bei Güte, bei Wohlwollen und Nachsicht.
Machen wir einen Schritt zurück, wenn es um Aufreger-Themen, um Hass und Wut geht. Vielleicht müssen wir nicht einsteigen und unsere Empörung teilen. Die Welt geht nicht unter, wenn wir nicht zu allem unseren Senf dazugeben und den Hass dann auch noch weiterverbreiten. Das heißt nicht, alles Schlechte zu ignorieren oder totzuschweigen, nein, wirklich nicht. Aber vielleicht können wir auch dem Hass gute Gedanken entgegensetzen, Gegengeschichten erzählen. Denn es gibt sie – sie bekommen nur nicht die große Bühne, solange wir dort Hass und Wut platzieren. Hauptsache dagegen, da ist einfach kein Platz für Güte.
Ich liebe ja Hashtags wie #goodNews oder #guteNachrichten – mich beruhigt es, zu lesen, dass eben nicht alles schlechter wird. Und ich nehme mir vor, noch mehr solcher Nachrichten zu teilen – wo ich schon kein Freund von Hundebabys bin, dann doch wenigstens die guten Geschichten.
Einmal Liebe, bitte.
Ich nehme mir vor, ab heute noch mehr darauf zu achten, mindestens einmal Liebe und Freundschaft und Glück zu teilen. Entweder meine eigenen Gedanken oder die von anderen. Hauptsache positiv, freundlich, wohlwollend, gütig.
Und ich nehme mir vor, genau diese Inhalte gütig zu kommentieren. Wegen der Reichweite, aber vor allem wegen der guten Gefühle. Wir brauchen keine Erinnerung daran, dass die Welt schlecht ist, sondern eine Erinnerung daran, dass es auch die gute Seite gibt.
Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.
2 Antworten
Bevor der Mainstream online ging, war den meisten die Regel klar, dass man sich nur zu etwas äußern sollte, wenn man etwas Gutes oder zumindest Konstruktives beizutragen hat. Denn mit Negativem verschafft man nur Inhalten Aufmerksamkeit, denen man ja eigentlich gar keine geben möchte. – Tja, das Dumme ist nur, dass es gar nicht um die Inhalte geht, sondern darum, dass die Leute sind für ihren Senf Aufmerksamkeit… Und dann kann man sich ja auch so schön darüber aufregen, dass man nur ungewollte Beiträge in seinen Feed kriegt. Da ist dann aber natürlich der Algorithmus schuld, nicht etwa die eigenen Reaktionen. #kopftisch
Eine Regel, die noch älter als dieses Internetz ist, könnte man sich aber zu Herzen nehmen:
Wie es in den Wald reinschallt, so schallt es auch wieder heraus! Insofern wünsche ich Deinem Aufruf viele, die ihn sich zu Herzen nehmen.
Ich kann dazu eigentlich gar nicht viel sagen, denn ich bin erst seit 2010 oder so wirklich in diesem Zirkus unterwegs. Mir fällt es nur gerade so auf, weil ich mich wundere, dass es auch im Fediverse so viele Leute gibt, die hauptsächlich negative Geschichten teilen oder kommentieren und sich dann wundern, dass es keine guten Nachrichten gibt. Empörung ist so leicht, Aufreger bekommen Reaktionen, das stärkt, da sind viele meiner Meinung, yeah. Bloß bringen diese ganzen Diskussionen doch nicht viel, denn es erreicht die Menschen gar nicht, die da gemeint sind. Daher hätte ich gern weniger Empörung und mehr Güte. Einmal ein bisschen Zeit zwischen Reiz und Reaktion bringen könnte da schon helfen…