Vor langer Zeit wollte ich mal einen Text schreiben über Label, die man mir gegeben hat und solche, die ich mir selbst gegeben habe. Ich hatte schon eine Grafik gemacht dafür, aber irgendwie habe ich den Text nie geschrieben. Ist auch gar nicht so einfach, finde ich. Wenn mich jemand fragt, was ich denn so mache, dann kommt meist der Standard-Satz, den viele auch aus dem Podcast kennen: Ich bin Bloggerin, Texterin und Schreibberaterin. Das stimmt eigentlich gar nicht mehr so richtig, denn wenn man es genau nimmt, dann mache ich mittlerweile eher Content-Strategie und Mentoring. Und in dem Mentoring liegen dann wieder Begriffe wie Sparringspartnerin, Motivatorin, Mutmacherin oder Anstupserin.
„Du bist Schreiben personifiziert“, hatte mir Rani Gindl mal im Nachgang von 28 Tage Content geschrieben. So ein großer Titel, uff. Diese Titel sammle ich ja und liebe die Vielfalt darin, aber ein bisschen verwirrend ist es auch – hier zwei Beispiele: „Frau der Klarheit“ nennt mich Martin Natterer,„Poetin des Storytellings“ Annemarie Kramser. Es klingt toll und gleichzeitig frage ich mich immer: Ja? Ist das so? Einer meiner liebsten Titel ist von Inge Schumacher, die mich ab und zu liebevoll auf ihrem Blog erwähnt. Sie nennt mich „Lieblingsblogflüsterin“.
Dann gibt es noch die Label, gegen die ich mich immer mit Händen und Füßen gewehrt habe, dabei kann ich gar nichts dagegen tun, wenn mich Menschen so sehen. Schon in der Anfangszeit meiner Selbstständigkeit fiel immer mal wieder „Vorbild“, das wollte ich aber nie sein. Und Im Teaser zu meinem Beitrag „5 Tipps an mein gründendes Ich“ schrieb Beate Mader: „Sie fühlt sich als Küken, dabei ist sie schon längst ein Rolemodel“. Ganz ehrlich: Ich musste erstmal googeln, was das überhaupt bedeutet.
Selbstständig? Unternehmerin? Solopreneur?
In meiner Bubble gab es irgendwann einen Ruck, als findige Marketing-Berater meinten, jetzt ein Mindset für Unternehmer*innen verkaufen zu müssen. Es wurde also sortiert: Du bist Dienstleister*in oder Freelancer*in, du bist selbstständige*r wasauchimmer, du bist Einzelunternehmer*in oder eben Solopreneur (das klingt einfach jünger und mehr nach Startup). Und alle sollten nun lieber Unternehmer*innen werden, denn das sei die einzig wahre Karriere und der Inbegriff von Erfolg.
Ein „echtes“ Unternehmen aufbauen, Angestellte haben, ein System, das unsere Angebote verkauft, während wir relaxt am Strand liegen oder Sport machen oder unsere lieben Kleinen versorgen. Ich weiß ja nicht, ob ich da einfach falsch gepolt bin, aber ich wollte das nie. Ist ja aber auch egal, mir geht es ja um die Bezeichnung.
Und in diesem Fall wurden die Labels dafür genutzt, um die eigene „Erfolgs“-Story zu pimpen. Eine Transformation von der (kleinen) Dienstleisterin zur (großen) Unternehmerin. Nuja… Ich bin einfach selbstständig geblieben. Mit meinem eigenen System und Rahmen. Trotzdem wurden mir alle Bezeichnungen schon mal untergeschoben.
Das bin ich doch nicht! Nicht nur…
Gerade als Junior noch kleiner war, habe ich auch viele kleine und große Ärgernisse geteilt, die mir als alleinerziehender Mutter aufgefallen sind. Denn ich war nie nur Mutter, aber auch. Und da ich ja schon immer sage, dass Vereinbarkeit eine Illusion ist, fand ich jedes Label in dieser Richtung unpassend. Also diese Begriffe, die vorgeben, dass beides möglich ist, Hashtags wie #workingmom etwa oder #busymom. Und die habe ich selbst nie verwendet, aber sie wurden manchmal unter meinen Tweets in den Replys verwendet, also irgendwie wurde ich in diesen Kontext gerückt.
Das gipfelte dann in #momtoo, den konnte ich noch am ehesten verstehen, denn da ist es: Man ist beides. Allerdings, das muss ich dazusagen: Ich finde, man ist nie beides gleichzeitig, sondern switcht ständig hin und her. Also lieber wieder trennen und diese ganze Idee von Vereinbarkeit gleich mit entsorgen. Wir müssen nicht alles auf einmal sein, sondern wir haben die anspruchsvolle Aufgabe, stets den richtigen Modus zu wählen, die passende Rolle. Das ist eine Frage von Entscheidungen, nicht von Verschmelzung oder so.
Lange Jahre lang gab man mir dann auch noch das Label #singlemom – letztlich halte ich all diese Kategorien nur für Schubladen, in die sich Mütter einsortieren lassen, um nicht allein zu sein mit ihren Sorgen. Und um die Brisanz ihrer Situation zu zeigen: Hier, ich habe ein hartes Los und wer das nicht auch hat, kann auch nicht mitreden. Letztlich trennen diese Begriffe also doch wieder ab, anstatt zu verbinden.
Was ist da noch?
Ich habe ein abgeschlossenes Studium, finde aber die Bezeichnung „Akademikerin“ unpassend. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich 7 oder so war, ich bin also ein Scheidungskind. Und auch eine Halbwaise, denn mein Vater ist gestorben, als ich 12 war. Dann gibt es noch die ganz großen Gruppen, ich müsste mal recherchieren, zu welcher der Generationen ich gehöre (Millennial) – schaue ich aber auf die Zuschreibungen, die da gemacht werden, gehöre ich zu mehreren (oder zu keiner).
Seit 2010 bin ich zertifizierte Medientrainerin, außerdem Moderatorin, war auch mehrere Jahre lang Redakteurin und Journalistin, aber letztlich passt mir keine dieser Bezeichnungen mehr.
Ich könnte jetzt auch noch familiäre Rollen mit aufnehmen… Ich bin ja nicht nur Mutter, sondern auch Tochter, Schwester, Enkelin und so weiter. Oder ich könnte mir eine politische Gruppe aussuchen, mich da einsortieren und mir ein Label geben. Geografisch geht natürlich auch. Deutsche, Ostwestfalin, Bielefelderin. So viele Möglichkeiten!
Und dann erinnere ich mich an Erving Goffman. Wenn ich den hier nicht erwähne kriege ich sicher was zu hören… Wenn wir Goffman folgen, dann ist all dieses Labeln sowieso für die Katz, weil wir unsere Selbstdarstellung in jeder Situation, in jeder Interaktion, dem sozialen Kontext anpassen. Unsere öffentlichen Persönlichkeiten sind variabel, es gibt keine Rolle, die wir immer spielen. Was andere über uns denken könnten, bestimmen wir mit durch unsere Performance – ähnlich wie Schauspieler, die Charaktere vor einem Publikum darstellen. Kein „wahres Ich“ also, nur verschiedene Facetten unseres Schauspiels. (Nachlesen kannst du es in „Wir alle spielen Theater“, Piper Verlag.)
Ich finde ja, das macht es nicht weniger verwirrend. Zugehörigkeit ist ein Grundbedürfnis, daher sind diese ganzen Labels ja auch Möglichkeiten, sich einzusortieren. Aber das geht eben nicht, ohne auch einsortiert zu werden. Gegen manche dieser Labels werde ich mich aber weiterhin wehren, geht nicht anders. Und versuchen, dabei möglichst eins nicht aus dem Blick zu verlieren: Menschlich bleiben.
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Ein Kommentar
Hallo Anna, dieses ganze Schubladendenken und Labels draufkleben mag ich gar nicht. Das trennt eher, als dass es verbindet, da bin ich bei dir.
Ich stehe nicht so sehr in der Netzöffentlichkeit wie du und bekomme wenig Labels angehängt. Du sagtest mal, soweit ich mich erinnere, ich sei nett. Das ist ein Label, wo ich mich identifizieren kann. Ich versuche immer respektvoll und höflich zu sein. Leute, die das Gegenteil anstreben, gibts genug.
Sonst habe ich selbst noch nie weiter draufrumgedacht, was meine anderen Labels außer „nett“ sein könnten.
Ich werd‘ die Tage mal nachdenken und drüber bloggen.