Am vergangenen Wochenende habe ich gemeinsam mit Junior den zweiten Teil des Shrek-Ablegers „Der gestiefelte Kater“ geschaut. „Der letzte Wunsch“ erzählt davon, dass der Kater bemerkt, dass er bereits acht seiner neun Leben verbraucht und somit nur noch eins zu leben hat. Das macht ihm solche Angst, dass er unbedingt den „Wunschstern“ finden möchte. Denn mit dem könnte er sich neue Leben wünschen und weiterhin ein unbekümmertes, weil furchtloses Helden-Dasein führen. Ein Leben auf der Überholspur, ein legendäres Leben, ein einsames Leben.

Letztlich geht es um die Frage, was wirklich wichtig ist. Keine neue Frage, wenn man bedenkt, dass schon die alten Griechen (ja, genau die!) wussten, dass carpe diem und memento mori zusammengehören. Denn nur wenn wir uns unserer Sterblichkeit bewusst sind, können wir auch bewusst leben. Unsterblichkeit würde dagegen bedeuten, dass einzelne Tage weniger Wert zugeschrieben bekämen, denn so sind sie eben nichts Besonderes, Kostbares mehr.

Auf den Punkt gebracht wird das auch im Film: „Wenn man nur ein Leben hat, ist das Leben was Besonderes.“ (Kitty Samtpfote in „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“)

Diese Erkenntnis wird auch der Kater haben, so viel Spoiler sei mir hier erlaubt. Seine ersten acht Leben hat er nicht sonderlich wertschätzend gelebt, aber nun steckt er in einer echten Lebenskrise. Er wird sich Gedanken darüber machen, ob ein legendäres Leben wirklich den Verzicht auf Freundschaft, Loyalität, Vertrauen und Liebe wert ist. Und er wird lernen, dass Kämpfen nicht immer die beste Wahl ist. Von diesem Gedanken möchte ich hier kurz berichten.

Der Weg ist so wie wir sind. Oder wie wir denken wie wir sind.

Um zu dem Wunschstern zu gelangen, braucht der Kater eine Schatzkarte und bis er die in den Pfoten hält, hat er zwei Weggefährten (wieder)getroffen. Seine alte „Bekannte“ aus dem ersten Teil, Kitty Samtpfote, und den Hund Perro (ja, ist ein Pleonasmus. Aber eben der naheliegende Name für einen Hund ohne Namen, wenn man ein spanischsprechender Kater ist). Perro hat zwar von Geburt an ein hartes Leben führen müssen, aber er hat für sich beschlossen, dennoch das Positive in der Welt zu sehen. Immer. Ob das nun so clever und gesund ist, darüber können wir sicher streiten, aber Perro steht in der Geschichte als Gegengewicht zum Misstrauens-, Angriffs- und Kampfmodus, in dem der gestiefelte Kater und Kitty Samtpfote unterwegs sind.

Die Schatzkarte zum Wunschstern ist natürlich auch magisch und somit zeigt sie für jeden Abenteurer oder jede Schatzsucherin einen anderen Weg an. Je nachdem, wer die Karte benutzt, wechseln die Stationen, die erreicht und überwunden werden müssen, um letztlich zum Wunsch aller Wünsche zu gelangen.

Für den Kater, der ja mit dem Tod und seiner Angst davor beschäftigt ist, zeigt die Karte das Tal der Einäscherung, die Bestatterbrücke und die Höhle der verlorenen Seelen, also kein sehr sicherer Weg. Kitty Samtpfote ist mit den Themen Vertrauensverlust und Verlassenwerden unterwegs, daher zeigt die Karte für sie den Sumpf der endlosen Sorgen, das Gebirge des Grams und den Abgrund der ewigen Einsamkeit, also auch keine sehr einladenden Stationen.

Zum Glück haben die beiden Perro dabei, für den die Welt ja übertrieben rosa aussieht. Die magische Karte zeigt ihm, dass er durch ein Bukett voller Blumen gehen, dann denn Fluss des Faulenzens hinunterschippern und zuletzt über die Felder der einfachen Lösungen tänzeln muss. Auch dieser Weg ist nicht ungefährlich, aber ich will nicht zu viel verraten. Die Abenteurer finden Perros Stationen natürlich am attraktivsten und daher machen sie sich auf den Weg zu den Blumen.

Wenn Kämpfen alles schlimmer macht

Das Bukett voller Blumen (im Original übrigens „Pocket full of Posies“, eine Anspielung auf einen Kinderreim, über den diskutiert wird, ob es nicht eigentlich um die Pest ginge) entpuppt sich als übergroßes Feld aus dichtstehenden Rosen, durch die man hindurch muss. Kitty Samtpfote und der gestiefelte Kater beginnen sofort, die Stengel abzuschlagen, sie wollen sich durch das Feld hindurchkämpfen. Das Problem: Die Blumen sind wie Hydras und aus einer abgeschlagenen Blume werden mehrere nachwachsen.

Die schnelle Kampfreaktion scheint also nicht die beste Wahl zu sein, um diesen „Gegner“ zu „besiegen“. Hier braucht es Perros Fähigkeit, auf das Leben zu vertrauen und das Schöne wahrzunehmen. Er findet heraus: Die Blumen ziehen sich zurück, wenn man ihren schönen Duft riecht (wiederum interessant, wenn man die mögliche Deutung von „Pocket full of Posies“ bedenkt, denn die Blumen sollten ja den Geruch der an der Pest erkrankten Menschen überdecken).

Perro gibt seinen beiden Begleitern also den bedeutsamen Rat: „Hetzt nicht so durch, lasst euch Zeit und wisst alles um euch herum wirklich zu schätzen.“ (Perro in „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“)

Wie viel Kater oder Kitty steckt in dir?

Es ist natürlich ein bisschen sehr simpel, aber ich fühlte mich ertappt. Auch ich bin manchmal schnell im Kampfmodus, wenn sich eine unbekannte Situation einstellt, eine Herausforderung. Überwinden, bekämpfen, hinter uns bringen… allein schon das Wording lässt diesen Modus aktiv werden. Eine „falsche“ Antwort, ein Ausdruck, der uns auf dem falschen Fuß erwischt? Schon ist das ein Angriff und muss wiederum bekämpft werden. Wir verteidigen uns, weil wir so sehr im Kampfmodus sind.

Dabei ist es ja wirklich so: Unser Weg ist oft so, wie wir ihn sehen, wie wir die Welt sehen, wie wir sind. Sind wir mit Schwierigkeiten, mit Ängsten und Sorgen beschäftigt, dann sieht vieles gefährlich aus. Und sind wir gut drauf, fühlen uns stark und sicher, dann wirkt meistens auch unsere Umgebung freundlich(er).

Und nicht dass mich jetzt jemand falsch versteht: Ich möchte nicht, dass wir alle so sind wie Perro, der sich die Welt schönredet, obwohl sie es vielleicht nicht ist. Niemand soll vergessen, dass es Gefahren und Probleme und Ängste gibt – aber vielleicht sollten wir ab und zu stehenbleiben und mal schauen, ob diese Gefahren JETZT GERADE bekämpft werden müssen? Und ob es vielleicht noch einen anderen Weg gibt? Eine andere Betrachtung?

Wenn es gar keinen Grund zum Kämpfen gibt

„Hetzt nicht so durch.“ Ich glaub, das wäre ein gutes Motto für den Alltag und ich weiß, dass das nicht immer einfach ist. Aber ich glaube ganz fest daran, dass uns der Blick auf das Positive stärkt. Daher schreibe ich ja auch fast jeden Tag meine 3 guten Dinge des Tages ins Fediverse – es ist gut zu sehen, dass da immer etwas Schönes ist, das sich wahrzunehmen lohnt. Kurz innehalten, Kampfmodus aus, und das andere wahrnehmen.

Oder – um noch einmal Perro zu Wort kommen zu lassen: „Ich hab einen gemütlichen Pullover und zwei beste Freunde – was könnte ich mir mehr wünschen?“

Vielleicht können wir noch bewusster und öfter unseren Kampfmodus ausschalten. Denn was wäre, wenn es uns weiterbringt, uns Zeit zu nehmen und zu erkunden, ob da nicht noch ein anderer Weg ist, den wir nur nicht sehen, weil alles wie ein Gegner aussieht? Kooperation und Mitgefühl bleiben viel zu oft unsichtbar hinter dem vorgeschalteten Kampfmodus – und das ist leider ansteckend: Aggression und Angriff erzeugen nur immer mehr davon.

Das Gute ist aber: Auch der andere Modus ist ansteckend. Der „wahrnehmen und ruhig bleiben – Modus“. Der „neugierig – Modus“. Ich finde jedenfalls, wir sollten die Perros dieser Welt nicht belächeln, weil sie vielleicht nicht die höchsten Mauern um sich herum gebaut haben und sich in die Karten schauen lassen. Weil sie offen sagen: „Ich mag dich und ich vertraue dir.“ Ohne Angst. Nein, wir sollten die Perros dieser Welt als Vorbilder nehmen. Kämpfen können wir später immer noch.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

Ein Kommentar

  1. Danke für diesen wunderbaren Blogartikel. Er regt zum Nachdenken an und manchmal denke ich, dass wir sogenannten Erwachsenen viel zu sehr im „Fight or Flight“ (Kämpfen oder Flüchten) Modus verwurzelt sind und uns oft der Blick fehlt für die anderen Optionen die sich uns bieten würden, wenn wir sie denn sehen würden.

    Ich erinnere mich noch mit einem Grinsen an einen Konfliktbewältigungskurs den ich mal in der Arbeit machen durfte. Da wurde ein Szenario durchgespielt, wo jeweils zwei Leute gebrieft wurden: Du fliegst zu einer Insel wo es eine Frucht gibt aus deren Schale ein lebenswichtiges Medikament hergestellt wird. Dein Job ist es die ganze Ernte aufzukaufen. Und während Du mit dem Sitznachbarn redest merkst Du, dass er auch diese Ernte aufkaufen soll. Was tust Du um Deine Aufgabe zu erfüllen.

    Einige gingen sofort in den Kampfmodus, Sitznachbar KO schlagen usw. Ich habe mir damals die Frage gestellt warum die Betonung bei meinem Briefing auf der Schale lag und den Sitznachbar gefragt, was er denn so wichtiges von dieser Frucht braucht. Stellt sich raus, er braucht den Kern. Also Joint-Venture und Win-Win-Situation. Aber eben nur möglich, wenn man nicht in die üblichen Reaktionsmuster verfällt.

    Anderes Beispiel: Gestern ein neues Restaurant ausprobiert, nepalesisches Essen. Am Ende dann die Tocther der Chefin kennen gelernt, nur dreieinhalb Jahre alt, aber weltoffen und genau dieses „ich vertraue Dir“ Mindset. Das war schön und hat mir wieder gezeigt, das Kinder eben viel offener sind als Erwachsene. Was vielleicht aber auch daran liegt, dass Erwachsene bei Vertrauenssachen auch bestimmt schon mal enttäuscht wurden und daher anfingen Mauern zu errichten die irgendwann ein undurchdringlicher Panzer werden.

    Und was das Thema Unsterblichkeit angeht, ich bin ja mittlerweile auch schon in dem Alter in dem wie man so schön sagt die Einschläge näher kommen. Aber auf der anderen Seite ist es beruhigend zu wissen, dass auch die Diktatoren und sonstigen Widerlinge über die wir uns gerade so massiv aufregen nicht unsterblich sind und auch für diese früher oder später die letzte Stunde schlägt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert