„Ich habe mich sehr lange selbst angelogen“, sagt Joko Winterscheidt im Podcast Deutschland3000 und er erzählt davon, dass er erst spät auf die Idee kam, eine Therapie zu machen und dass er sich dort besser kennengelernt habe. Und da waren diese Sätze, die er über den frühen Verlust seiner Mutter sagte – passend zu meinem trüben Novemberblues.
Zum Beispiel sagt er Sätze wie „Es war halt so, ich kenne es ja nicht anders“ und formuliert Gedanken zu diesem Verlust, den er (mit 6 Jahren) gar nicht so recht verstehen konnte. Ich höre mich selbst sprechen, obwohl ich ja älter war, als mein Vater gestorben ist. Klar macht man einfach weiter, es ist müßig darüber nachzudenken, was gewesen wäre, hätte es diesen Verlust nicht gegeben.
Und Joko sagt auch, dass er ja nicht wisse, wie es ist, mit einer Mutter aufzuwachsen. Er wisse also nicht, was wirklich fehlt, nur dass etwas fehlt. Klar, da kann man jetzt drüber streiten, denn man weiß ja, wofür die Mutterrolle in etwa wichtig ist in der Kindesentwicklung. Aber das ist es eben: Man kennt es nicht anders, andere übernehmen diese Funktionen, die vielleicht fehlen. Was wäre wenn ist also wie so oft kein guter Ansatz. Wir leben ja unser Leben, so gut es eben geht. Und es ist ein glückliches Leben, so erzähle ich es ja auch immer wieder.
Zuschauer
Junior hat jetzt noch ein paar Monate, dann ist er so alt wie ich, als mein Vater von heute auf morgen nicht mehr da war. Ich kann mir also anschauen, in welche Phase das damals fiel – viele Dinge rund um diese Situation erinnere ich nicht mehr. Aber klar, es war die Zeit des Schulwechsels, gerade mal angekommen und eingelebt am Gymnasium, neuer Schulweg, neue Freunde, neue Umgebung, neue Fächer. Das erste Zeugnis bekommen. Und dann dieser Schlag.
Im Podcast erzählt Joko von seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, auch da kann ich anknüpfen. Denn nein, es nicht fair. Vieles am Leben ist nicht fair. Diese massive Verunsicherung macht etwas mit Menschen und ja, das zu bearbeiten, ist eine gute Idee. Daher finde ich es auch so gut, dass Joko im Gespräch so positiv von seiner Therapie erzählt, kleine Beispiele anbringt, was er dort für sich klärt und über sich selbst lernt.
Du warst immer da.
Auch Junior wird irgendwann sagen: Ich kannte es ja nicht anders, das war mein Leben. Aber er wird es hoffentlich nicht sagen, weil er zu früh einen schweren Verlust erlitten hat. Ich habe jedenfalls nicht vor, zu sterben, und die andere Seite auch nicht. Aber man weiß ja nie.
Was ich merke: Ich arbeite mich ab, um Junior das Gefühl zu geben, dass alles sicher ist, dass niemand einfach weg ist oder nicht erreichbar. Vielleicht ein bisschen zu sehr sogar, denn das begrenzt manchmal mein Privatleben außerhalb unserer Mini-Kernfamilie. Aber da kann ich wohl nicht anders, dann sage ich halt anderen ab, um für ihn da zu sein. Wenn es irgendwie geht, dann mache ich es möglich.
Denn es wäre für mich das größte Kompliment, wenn Junior mir irgendwann sagt: Es war eine schöne Kindheit. Du warst immer da.
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