Während Coaches auf LinkedIn darüber diskutieren, wie oft man seinen Stundensatz erhöhen sollte (oder wieso Zeit gegen Geld eigentlich ein beschissenes Modell ist), während das richtige Money-Mindset in den Himmel gelobt und die (mindestens fünfstellige!) Investition in Weiterbildung als Heilsbringer gefeiert wird, habe ich mit einem Bekannten gesprochen, der eine Kneipe in einem sehr dörflichen Ort hat. Ich geh wieder Kellnern. Mindestlohn plus Trinkgeld.

Natürlich gebe ich meine Selbstständigkeit nicht auf – wer kann schon vom Kellnern leben, außer Studierende, die nur für sich selbst sorgen müssen und denen die fiesen Arbeitszeiten nicht das Leben unmöglich machen? Aber ich brauche einen Ausgleich zu meinem Brüten über Content-Formaten, zu den Trainings, zu meinen Gedanken über Sprache und Text. Ich möchte ab und zu wieder hinter der Theke stehen, sehr viel laufen und die Hände so lange ins Spülwasser tauchen, bis sie nach Handcreme brüllen.

„Warum willst du dir den Stress antun? Arbeiten wenn andere feiern“, fragt mich Sebastian auf Mastodon. Aber das ist für mich die falsche Frage. Denn es ist guter Stress. Und ich liebe den Gedanken, endlich mal wieder eine Schicht zu machen, dann Kasse, Bar sauber machen und Feierabend. So richtig Feierabend.

„Ist alles in Ordnung mit dir?!“, hat meine Mutter nur gefragt, als sie davon hörte. Als wäre ich bescheuert, meine kostbare Zeit so zu verplempern. Denn ich könnte doch in der Zeit so viel mehr Geld verdienen!

Bloß geht es hier überhaupt nicht um Geld. Ist das denn wirklich immer der erste Gedanke, wenn es um Jobs geht? Klar, wenn man so will, ist das Luxus. Ich gehe ein bisschen kellnern, als Ausgleich, und ich mache das, weil ich es mir leisten kann.

Aber für mich ist das nicht nur ein bisschen vor mich hinarbeiten, sondern etwas, das ich eine lange Zeit meines Lebens gemacht habe, in dem ich ziemlich gut bin und das ich auch einfach gern mag. Denn Service ist eben nicht nur sich hinter der Theke festhalten und Zuckerstreuer auffüllen, sondern es ist eine Art von Kunst. Wenn der Service gut ist, dann ist das Erlebnis für die Gäste gut.

Und das finde ich großartig. Man kann schöne Erlebnisse zaubern, ohne mühselige Verkaufsgespräche. Man kann den ganzen Abend flirten und schäkern, einfach nur einen guten Job machen. Und dann nach Hause fahren. Kopf wieder leeren für den nächsten Tag. Man nimmt keine Aufgaben mit ins Bett, nur Geschichten. Wie wundervoll!

Also ja, zum Mindestlohn. Wie alle anderen Kolleg*innen auch. Und der Chef sagt: „Ich möchte dich vor allem für die Feiern auf dem Saal!“ – Dachte ich mir, denn ja, ich kann meinen Job. Nur der Tablett-Arm, der linke, ist vielleicht ein bisschen schwach. Mal sehen, wie das wird 🙂

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

4 Antworten

    • Bita, wie schön, dich mal wieder zu lesen! Und wie toll, dass du hier reinliest 🙂

      Ja, wir werden sehen, wo ich lande… Aber es ist eine schöne Arbeit, sie macht Menschen glücklich.

      Wir müssten eigentlich mal wieder quatschen. Liebe Grüße zu dir

  1. Liebe Anna,

    ich habe auch gekellnert. Und wirklich gern – in der Düsseldorfer Altstadt. Und so meinen Mann vor 23 Jahren kennengelernt.

    Ich kann dich gut verstehen, denn diese Arbeit macht zufrieden. Anderen eine schöne Zeit bereiten. Kurze, oberflächliche, aber eben auch nette Kontakte in denen die Rollen klar sind. Und wenn die Schicht vorbei ist, ist sie vorbei.

    Ich wünsche dir viel Spaß und einen schönen Ausgleich. Und schöne Sommerferien mit Junior!

    Carina

    • Liebe Carina,

      ach wie schön, dass du sogar deinen Mann dabei kennengelernt hast! Ich kenne „meinen“ aus dem Studium – irgendwie auch klassisch, nur dass wir fast 15 Jahre gebraucht haben, um uns zu verlieben ^^

      Ja, genau, es macht zufrieden. Ich glaub der Effekt ist so ähnlich wie der, warum ich es mag, den Abwasch zu machen. Es hat ein Ende und sieht hinterher ordentlich aus. Nur dass beim Kellnern auch noch andere Menschen beteiligt sind. Eigentlich sollte dieser Job besser bezahlt werden…

      Auf bald und wie immer: Schön, dass du hier mitliest!
      Anna

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