Inhalt vor Form, sage ich oft, aber letztlich ist das nur die halbe Wahrheit. Es gibt nämlich Menschen, die einen Sinn für Sprache haben, die sich treffen auf dieser Ebene, in der es sehr wohl auf die Form ankommt, weil sie einen großen Anteil an der Bedeutung hat. Das ist mir speziell in diesem Jahr wieder aufgefallen, weil ich andere Arten von Text gelesen habe. Nicht nur die Anleitungen auf Blogs, die sprachlich fast nicht einfach genug sein können. Sondern Texte, die klingen, auch zwischen den Zeilen. In denen sich die Bedeutung der Wörter erst nach und nach entpuppt, während man sich in die Zeilen hineinliest. Und nicht zuletzt habe ich Worten gelauscht, die bedacht waren darauf, genau richtig zu klingen.
So oft schon wurde ich nach Stil gefragt, danach, wie man denn seinen eigenen Schreibstil finden könne. Ich sage eigentlich immer das gleiche: Durch Schreiben. Und durch Lesen. Denn das Lesen zeigt uns die Vielfalt der Sprache, die wir noch nicht selbst entdeckt haben. Ohne das Lesen bleibt unser Schreiben ähnlich flach oder tief wie es bereits ist. Daher empfehle ich immer, unterschiedliche Autoren und Genres zu lesen, auch mal abzuweichen von den eigenen Vorlieben, sich einzulassen auf Sprache und Geschichten, die auf den ersten Blick fremd klingen.
Es gibt Bücher, in denen gibt es keine direkte Rede. Generell gibt es wenig Satzzeichen, abgesehen von Komma und Punkt. Und es liest sich einfach nur wundervoll. Da fehlt nichts, denn der Ich-Erzähler berichtet über die Gespräche – eben indirekt. Es gibt sprachliche Bilder, die gleichzeitig Ekel und Faszination auslösen, ganz banale Bilder eigentlich. Und dann gibt es Worte, die im direkten Vergleich zu anderen unfassbar schön klingen – und andere plump.
„Ich will dich.“, „Ich will mit dir schlafen.“, „Ich begehre dich.“ – alle schon mal gehört? Dann hast du Glück gehabt, wie ich. Alle haben ihre Berechtigung, alle haben ihre Zeit und ihren Anlass. Aber sie haben alle eine unterschiedliche Wirkung. Gesagt sowieso, aber auch geschrieben. Mit welchem Satzzeichen auch immer.
Die Feinheiten liegen nicht nur in der Wahl der Worte, sondern auch in der Art der Präsentation. Es macht einen Unterschied, wie langsam oder schnell so ein Satz gesagt wird, wie groß die Pausen zwischen den Worten sind, ob die Stimme am Ende hochgeht oder runter, ob sie in der Luft stehenbleibt. Und auch geschrieben gibt es große Unterschiede – selbst die scheinbar banale Frage, ob da ein Punkt am Ende des Satzes steht oder nicht, kann entscheidend sein.
Es gibt Sprache, die mich anzieht. Nicht wegen der Worte, sondern wegen des Klangs. Der Klang in meinem Kopf, wenn ich selbst lese, oder – noch besser – der Klang in meinem Ohr, wenn ich zuhöre und versuche, jede Feinheit der Botschaft aufzunehmen. Das geht aber nur, wenn der Gesprächspartner auch einen Sinn für Sprache hat, eine Neugier, eine Freude am Spiel mit Worten und Bedeutung. Und wenn man sich austauscht über die Bedeutungen und Interpretationen, die man sich gegenseitig schenkt. Denn letztlich ist Kommunikation ja nichts anderes als ein Aushandeln von Bedeutungen. Und das Repertoire, das wir dazu nutzen, ist wie Werkzeug: Worte, Tempo, Satzzeichen, Klang, Tonalität, …
Was jetzt noch fehlt, ist Kontext. Denn ein einzelner Satz wirkt nicht gleich, je nachdem, in welcher Situation er fällt oder in welchem Zusammenhang mit anderen Sätzen er geschrieben steht. Ohne Kontext bleiben Worte und Sätze nur das, was sie sind: Hüllen, Werkzeuge, ein Stück des Mediums Sprache.
Wie ich heute auf dieses Thema gekommen bin? Ich verschweige den Kontext besser. Warum ich genau diese Beispiele gewählt habe? Lasse ich besser auch weg. Ich kann nur verraten, dass es ein Zusammenspiel aus gelesenen Worten, Kontext und inneren Bildern war, der mich heute hat schreiben lassen. Und welche Bedeutung du dem jetzt zuweist, überlasse ich ganz dir. (Am Ende steht hier ein Punkt, dafür habe ich mich ganz bewusst entschieden!)
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2 Antworten
Oh ja, da stimme ich voll und ganz zu. Zunächst einmal ist Sprache einfach Kommunikation und muss einen Zweck erfüllen. Aber darüber hinaus ist sie eben auch Kunst, gegenseitiges Näherkommen, Klang und Seele. Dein Text bringt in mir etwas zum Klingen, inhaltlich und sprachlich. Danke dafür 🙂
Viele Grüße
Birgit
Genau, Sprache ist ein Werkzeug. Und doch ist sie so viel mehr. Ja, Kunst kann sie auch sein, das stimmt. Auch eine Waffe, aber so wollen wir sie nicht benutzen. Vielen Dank für dein schönes Feedback – wenn so eine Resonanz entsteht, haben alle Beteiligten gewonnen.
Viele Grüße
Anna