Mit den unangenehmen Veränderungen bei Twitter glaubten viele, ihre digitale Heimat verloren zu haben, sogar eine Blogparade gibt es dazu. Und ja, auch ich vermisse dieses Twitter, das ich kannte. Den Austausch dort. Aber Heimat? Ich habe mich dann gefragt: Gibt es eigentlich einen Ort im digitalen Raum, den ich als Heimat bezeichnen würde? Oder gar Zuhause?
Auf das Thema gestoßen wurde ich vor ein paar Wochen, da bloggte nämlich Henning Uhle über das Thema digitale Heimat und fragte sich: Was soll das denn sein? Ich glaube, er hat den Beitrag gar nicht zu der Blogparade geschrieben, aber irgendwie bin ich dann auf diese Diskussion auf den Blogs gestoßen, die wohl ihren Ursprung in einer Barcamp-Session hat (ein guter Anlass für eine Blogparade!).
Also die digitale Heimat. Ich hab mir an mehreren Stellen schon mal Gedanken zu den Themen Heimat und Zuhause gemacht und auch zu dem Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen, zumindest für mich gibt es da nämlich einen Unterschied. Im alltäglichen Sprachgebrauch fallen diese Begriffe aber oft übereinander, irgendwo in diesem großen Topf, in dem auch Herkunft, Wurzeln oder Heimatland herumschwimmen.
Keine Heimat
Schlage ich „Heimat“ im Wörterbuch nach, steht da: „Land, Landesteil oder Ort, in dem man geboren und/oder aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend).“
Und Wikipedia sagt auch: „Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum“, also ein Ort. Und fügt noch hinzu: „Der Begriff findet aber auch in einem übertragenen, metaphorischen Sinne, etwa in der Bedeutung „geistige Heimat“, Verwendung. Der Heimatbegriff befindet sich in ständiger Diskussion.“
Also irgendwie was mit Herkunft, da, wo ich aufgewachsen bin. Da, wo meine Wurzeln liegen. Und so habe ich es auch im Verbindung schaffen – Podcast erzählt, habe über meine Verbindung zu „meinem“ Liebefeld gesprochen.
Wenn ich nun also meine digitale Heimat finden sollte, müsste ich zurückschauen auf den „Ort“, an dem ich aufgewachsen bin, digital. Und ganz ehrlich: Das ist bei mir gar nicht so leicht. Ja, ich habe mich irgendwann bei StudiVZ angemeldet, aber erst, als es fast schon wieder out war. Ja, ich hatte ICQ und Myspace, aber das war mehr ein Spielplatz, auf keinen Fall Heimat. Eine Zeitlang habe ich mich in Chatrooms herumgetrieben, aber letztlich würde ich niemals sagen, dass das auch nur im Entferntesten eine Community oder ein vertraute Umgebung war. Definitiv keine Heimat.
Wo gehöre ich hin?
Müsste ich unbedingt eine Antwort auf die Frage nach der digitalen Heimat finden, dann müsste ich wohl sagen: Facebook ist meine digitale Heimat. Denn obwohl ich auch da als eine der letzten angekommen bin, habe ich mich dort „eingerichtet“, später vor allem, ab 2015, als ich mich selbstständig gemacht habe. Dort kannte ich mich aus, habe mich erst eingelebt und dann nach meinen eigenen Regeln „gelebt“.
Bei Facebook habe ich meine Community gegründet, über die ich dann auch liebevoll sagte, hier sei mein Wohnzimmer und so sollten sich die Menschen dort auch verhalten. Sich wohlfühlen bei mir und mit mir. Aber das war nur in meinen eigenen Gruppen so, nicht im gesamten Netzwerk.
Mit Twitter bin noch viel später warm geworden, daher sagen mir viele Menschen, das richtige, echte, gute Twitter hätte ich nie erlebt. Angemeldet habe ich mich 2015 und so richtig benutzt… vielleicht ab 2018? Also auch da wieder so late to the party, dass ich den Trubel auf der Tanzfläche verpasst habe. Auf LinkedIn aktiv wurde ich 2021, vorher war ich zwar da, habe aber mit niemandem gesprochen. Gut, das mit den Trends lag mir noch nie.
Es gibt ja die Weltenbummler, die immer woanders sein wollen, die ständig etwas Neues brauchen, die immer und überall mitmischen und ausprobieren – für mich war das nie so. Bei den meisten Trend-Netzwerken habe ich mich nie angemeldet, einfach kein Interesse, keinen Nerv, wieder etwas Neues anzufangen. Kein TikTok, kein Snapchat, kein Clubhouse, kein BeReal, kein Bluesky, kein Threads – ich hab ja nicht mal Instagram!
Ich bin kaum ausgebrochen. Aber eine richtige Heimat hatte ich eben auch nicht.
Rückkehr in die Heimat?
Theodor Fontane hat mal geschrieben: „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen.“ Das ist vielleicht sehr passend für diejenigen, die jetzt eben Twitter vermissen, eine Alternative suchen und doch nicht finden. Für diese Menschen ist Twitter wohl wirklich eine Heimat gewesen. Ein Ort, an dem sie sich auskennen, an dem vertraute Menschen sind, wo die Regeln bekannt und die Lieblingsplätze gefunden sind.
In dem Teil der Heimat, in dem man sich bewegt, „sprechen“ die Menschen vertraut, man kennt die Mentalität, die dort herrscht – jedenfalls meistens. Und auch wenn sich mal was verändert, es bleibt der Ort, an dem man dazugehört, mittendrin ist. In der Fremde dagegen, in anderen Netzwerken, ist man zu Gast. Muss sich orientieren, anpassen, ist vielleicht zurückhaltender, man braucht eine Karte oder Wegweiser. Muss sich an die Etikette gewöhnen.
Ich glaube, hier stoße ich an die Grenzen des (meines!) Heimat-Begriffs. Denn es gibt kein einziges Social-Media-Netzwerk, von dem ich sagen könnte: Ich war unterwegs, war überall und nirgends, zu Gast… Aber jetzt kehre ich in die Heimat, zu meinen Wurzeln, zurück.
Es gibt aber digitale Orte, die fühlen sich wie Zuhause an. Und das hat mehrere Gründe.
Mein digitales Zuhause
Über meinen Begriff von Zuhause habe ich hier auf dem Blog schon geschrieben und das, was diesen Begriff für mich so nutzbar macht, ist die Tatsache, dass ich Zuhause nicht als Ort verstehe, sondern als Gefühl. Zuhause ist da, wo ich sein kann wie ich bin, wo ich aussehen kann wie ich will, wo ich bestimme, wie es aussieht, was ich tue und was nicht. Es ist da, wo ich von lieben Menschen umgeben bin, mich nicht verstellen muss. Keine Masken.
Im digitalen Raum kann das nur eins sein: Selbstgehostete Räume, Blogs, Websites. Denn hier sind meine Dinge, meine Schätze, meine Themen. Und ich kann die Tür zumachen, wenn ich es will, kann das Draußen ausschließen, kann Stille herstellen. Und auf der anderen Seite Menschen einladen, sich hier zu bewegen und mit mir auszutauschen.
Hier ist vielleicht nicht so viel los wie auf der großen Social-Media-Party, aber das ist doch gut so! Oder würdest du wirklich gern eine Dauer-Party bei dir Zuhause haben wollen? Oder in deiner Heimat? Auf dem Marktplatz vielleicht, aber dann ist es doch gut, dass man wieder nach Hause gehen kann.
Mein Zuhause, meine Regeln
Und weil Zuhause eben ein Gefühl und kein Ort ist, ist es auch nicht mein Hauptblog oder dieser Blog oder einer meiner Podcasts, sondern es ist überall da, wo ich die Regeln mache, mich bewege, bestimme, wie es aussieht.
Wenn ich von draußen komme, weiß ich: Hierher kann ich mich zurückziehen, hier kenne ich mich wirklich aus. Hier verändert niemand einfach so Ausstattung oder Regeln. Hier bestimme ich, wie laut, warm, voll oder aufgeräumt es ist. Ohne Druck.
Ich kann mal Urlaub machen oder Reisen, kann die Landkarte raussuchen oder den Knigge und mich an andere Orte begeben. Aber dort werde ich immer nur zu Gast sein. Das kann mal schön sein, aber auf Dauer möchte ich nicht zu Gast sein, sondern dahin, wo der für mich passende Ort ist. Und den schaffe ich selbst.
PS: Das „Soziale Netzwerk“, das dem Zuhause-Begriff am nächsten kommt, ist das Fediverse, wo ich bei Mastodon angemeldet bin. Hier bin ich am liebsten, fühle mich am wohlsten. Denn ich empfinde den Austausch dort irgendwie authentischer als auf anderen Plattformen. Und ich habe den Eindruck, dass es mehr Menschen gibt, die echtes Interesse und Neugier treiben, anstatt der Gier nach Reichweite und Herzchen. Aber das ist nur mein ganz subjektiver Eindruck.
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