Zen-Meister sitzen oft stundenlang da und konzentrieren sich. Aufrechte Haltung, tiefe Konzentration, nur sitzen. Das muss man erstmal schaffen – sowohl das aufrecht Sitzen als auch das Konzentrieren. Ich mein, die machen das teilweise 50 Minuten am Stück. Was mir aber so gefällt daran, ist diese Idee der Ruhe und Entspannung, die sie erlangen. Es ist glaube ich nicht so, dass sie nicht denken – wir denken einfach immer – aber sie lassen sich nicht aufregen von ihren Gedanken, lassen sich nicht kapern davon und verführen. Es bleiben Ruhe und Entspannung. Und Konzentration. Fokus. Davon hätte ich manchmal gern mehr.

Ich habe den Impuls „Mein Ruhepol“ in die Blognacht gegeben, weil ich mehr solcher Geschichten suche. Was machen die Menschen im Alltag, um so einen Zustand – oder zumindest einen ähnlichen – zu erlangen? Die Reaktionen der 11 Teilnehmerinnen sind gemischt. Teilweise sehe ich Irritation, Überraschung, vielleicht auch ein bisschen Abwehr.

Klar, ich habs ja auch leicht, hier oben auf dem Berg, wo es ruhig ist und ich tagsüber kaum mit der lauten Außenwelt in Kontakt komme. Ich muss nicht lang suchen, um Gedanken über Ruhe und Entspannung in greifbarer Nähe zu haben. Die anderen aber sind in ihrem Alltag, vielleicht haben sie eine stressige Arbeitswoche hinter sich, sind müde an diesem Freitagabend. Völlig verständlich also, dass sie nicht sofort Juhu schreien.

Aber ich wette, sie werden etwas finden. Und darauf freue ich mich schon. Sie werden kleine Anhaltspunkte finden und sie aufschreiben und uns, die Leser, mitnehmen in ihre Welt. Das mache ich jetzt auch.

Für manche Menschen bin ich der Ruhepol

Ganz ohne Zen-Meditation wirke ich auf bestimmte Menschen in meiner Umgebung als Ruhepol.

(Das mit der Zen-Meditation habe ich übrigens gegoogelt, wusste ich auch nicht. Die Praxis heißt Zazen und besteht aus zwei Meditations-Perioden von etwa 30 bis 50 Minuten, unterbrochen von einem zehnminütigen Kinhin, das ist Meditation im Gehen, achtsames Gehen.)

Also, ich bin manchmal der Ruhepol. Zum Beispiel für Junior, wenn er aufgeregt, aufgebracht oder einfach im Ungleichgewicht ist. Er ist manchmal sehr angestrengt, wenn es größere Änderungen in seinem (oder unserem) Leben gibt, und dann braucht er jemanden, der die Aufregung nicht teilt. Das kann nur ich sein, denn wir sind ja nur zu zweit. Manchmal ist das gar nicht so einfach, besonders dann, wenn ich selbst wuselig und gestresst bin, einfach nicht klar im Denken und Handeln. Das kommt vor, und dann wird es bei uns ungemütlich, weil wir so oft aneinandergeraten.

Aber oft kann ich es auch abfedern, die Spitzen rausnehmen, das Drama ein bisschen verkleinern. Dann werden wir beide ruhiger, das mag ich. Denn gerade in einem ruhigeren Zustand merkt man den Unterschied zu vorher so deutlich. Ich kann das auch manchmal bei mir nahestehenden Personen, bei meinem Partner, bei Freunden und Nachbarn. Manchmal hilft es in der Aufregung nämlich schon, wenn man kurz anhält und zuhört. Oder wenn man einfach da ist für eine Umarmung – manchmal braucht es gar keine Worte. Oder wenn man nachfühlt, ob das Herz noch schlägt. Und man merkt, was eigentlich gerade wichtig ist – und was nicht.

Wer beruhigt mich?

Gerade jetzt, wo ich so deutlich aus dem Rhythmus geraten bin, fällt es mir schwer, wieder in die Spur zu finden. Diese Dauer-Aufregung stresst mich, zu viele Dinge, die ich nicht in der Hand habe. Dann wälze ich Gedanken und das Drama wird größer – bin halt kein Zen-Meister.

Das Problem dabei: Im Alltag habe ich selten Gelegenheit, anzuhalten und mich wieder zu fokussieren. Ich kann darüber schreiben, ich kann darüber sprechen, kann versuchen, meine Gedanken irgendwie zu kanalisieren. Aber davon werden sie oft nicht weniger, sondern nur anders. Was ich brauche, um runterzukommen, ist ein Bruch in meinem Alltagstrubel. Und dafür brauche ich andere Menschen.

Wenn ich mit meinem Freund unterwegs bin oder er bei mir, dann fahre ich immer ein bisschen runter, ganz automatisch, weil ich mich dann nicht mit Text und Kunden und Social Media und Nachrichten beschäftige. Mit Geschichten manchmal, klar, aber nicht mit blöden, nur mit ausgewählten.

Woanders sein

Und was eben auch immer hilft, ist ein echter Ausbruch – obwohl ja Seneca gesagt hat, das sei nur eine Flucht und es könne nicht helfen, denn man nehme sich ja schließlich immer mit. Das stimmt auch, ich nehme mich und meine Gedanken immer mit, auch wenn ich bei Freunden bin oder auf Reisen. Aber ich habe Luft und einen anderen Blick auf die Dinge, ein verlangsamtes Leben. Und das hilft dabei, mich wieder runterzufahren.

Dafür reicht manchmal schon ein Wochenende bei guten Freunden, ohne nerviges Social-Media-Geklicke und ohne Alltagsaufgaben. Zuhause ist es zwar schön, aber da schaue ich auf all meine Baustellen und Provisorien, das ist einfach nicht entspannend. Aber woanders sein, etwas anderes sehen, entdecken, anderen Kaffee trinken, an anderen Tischen sitzen… Das ist für mich perfekt, um auch anders zu denken.

Ich glaube, es hilft manchmal schon, zu wissen, dass es Möglichkeiten gibt, die helfen. Wenn man aufgebracht, wuselig und einfach zu viel ist, als dass man sich entspannen könnte. Dass man etwas tun kann oder dass es Menschen gibt, die etwas tun können, die einen Einfluss darauf haben. Ich nehme mir jedenfalls vor, öfter daran zu denken: Ich kann etwas machen. Ich habe Ruhepole, wenn ich sie brauche 🙂

Dieser Beitrag ist in der 48. Blognacht entstanden. Das Impulsthema: „Mein Ruhepol“.

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5 Antworten

  1. Liebe Anna,

    zum einen danke ich dir für den schönen Anstoß, mich bewusst mit meinem Ruhepol – der für mich ein Ort ist – zu befassen und Erinnerungen auftauchen zu lassn. Zum anderen inspiriert mich dein Beitrag, noch ein wenig länger über die andere Möglichkeiten eines Ruhepols nachzudenken. In diesem Fall die mitmenschliche Seite… Die war bei mir heute Abend nicht dabei.

    Mögest du dich auch im Alltag an deine Ruhepole erinnern und sie als Quellen der Ruhe und Freude erleben.

    Herzliche Grüße vom Chiemsee
    Ulrike

    • Liebe Ulrike,

      so ist das eben mit den Impulsen, wenn wir sie schnell verbloggen. Dann kommt ein Gedanke und der ist auch richtig. Umso schöner, wenn du noch weiter auf dem Gedanken herumdenken und weitere Aspekte finden kannst. Ob du die dann auch verbloggen willst, kannst du ja ganz für dich entscheiden. Ich wünsche uns einen Alltag mit Ruhepolen, die dich erden und stärken, wenn du es brauchst.

      Schön, dass du bei der Blognacht dabei warst und liebe Grüße
      Anna

  2. Liebe Anna,

    der Impuls hat mir selbst so gut getan und ich freue mich beim Lesen deiner Zeilen und es ist so schön zu sehen, wie du wieder strahlst.
    Es braucht eine Veränderung, sagst du so oft.

    Steile Wiesen hochgehen, hast du vorhin gesagt.
    Und in deinen Worten lese ich so viel Klarheit, was dir gut tut.

    Jetzt bin ich gespannt und neugierig, was du demnächst anstellen wirst, wenn du wieder zu Hause bist.

    Wünsche dir von Herzen alles Gute! Genieße die Wiesen, die Auszeit und das Heimkommen, denn auch das kann sehr schön sein.

    Herzlichst
    Stephanie

    • Liebe Stephanie,

      ach man, das ist so schön, was ihr aus den Impulsen macht und mich freut es natürlich doppelt, wenn du sagst, dass es dir gut getan hat, den Impuls zu schreiben. So soll es doch sein!

      Und ja, ich kann ganz viele Worte darüber verlieren, mündlich wie schriftlich, was gut ist und was nicht, kann Geschichten erzählen und Pläne schmieden. Der Schritt, Dinge umzusetzen, ist der schwere. Vor allem dann, wenn ich nicht die einzige beteiligte Person bin. Aber ja, ich sammle Kraft, tanke auf, bis ich dann wieder genauer weiß, welcher der nächste Schritt ist. Vielleicht aber auch erst Ende des Jahres, wenn ich ein paar Dinge abgeschlossen habe und Raum da ist für neue Gedanken.

      Schön, dass du da bist, schön, dass wir uns kennen.

      Liebe Grüße
      Anna

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