Es gibt kaum eine gefährlichere Zeit für mich als den November. Nicht nur dass er kalt und dunkel und grau ist, er ist auch einfach mit so vielen unliebsamen Erinnerungen verknüpft, dass ich nur allzu schnell abrutsche und mich vereinnahmen lasse von düsteren Gedanken und Gefühlen. Ich muss ganz bewusst und aktiv dagegen arbeiten, sonst werde ich melancholisch und traurig. Das Blöde ist: Ich kann noch so viel Sport machen, frische Luft schnappen und schöne Erlebnisse planen – trotzdem hänge ich zwischendurch immer wieder in der Vergangenheit rum. Und das macht müde.

Zusätzlich spielt mein Umfeld diesen düsteren Gedanken in die Karten. Eine gute Freundin hat unsere Frühstücks-Treffen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Es geht ihr nicht gut, schon länger. Unsere Treffen gehören zwar zu den schönen und stärkenden Erlebnissen, aber es fehlt an Energie. Eine andere Freundin ist still seit Juni. Ich schreibe ihr ab und zu, sie könne sich jederzeit bei mir melden, ich bin da. Wäre ich jedenfalls gern, denn ich höre genau nichts.

Andere Menschen in meinem Umfeld verschieben immer wieder geplante Treffen. Sicher haben sie alle ihre Gründe, na klar, das ist nichts Persönliches. Es sind ihre Prioritäten. Ein Treffen mit mir ist weniger wichtig, daher wird es verschoben. Und wieder verschoben.

Es gibt Zeiten, da ertrage ich das ganz gut, und es gibt Zeiten, da fühle ich mich zurückversetzt in eine Welt, in der ich schon lange nicht mehr lebe. Jetzt rund um November ist das besonders schlimm, und ich weiß das. Nützt aber nichts. Denn ich frage mich: Wer ist denn für mich da? Jederzeit und in jedem Fall?

Und dann schwanke ich zwischen verkriechen, wütend werden und ne Psychotherapie machen. Komme aber nie so recht zu einem Ergebnis, da ist wohl der Leidensdruck nicht groß genug. Ich bin ja auch gut alleine. Und ich kann schreiben. Mein Ventil.

Mach das, was du dir selbst wünschst?

Letztens habe ich irgendwo gelesen, wenn man sich etwas von anderen wünscht, dann soll man es selbst machen – ich glaube zwar, da ging es um Partnerschaften, aber ich verallgemeinere das jetzt mal. Der Tipp ist also: Wenn du dir liebe Worte wünschst, sag deinem Gegenüber was Liebes. Wenn du dir eine Umarmung wünschst, umarme. Wenn du dir wünschst, dass sich jemand Zeit nimmt, mach Platz in deinem Kalender. Und so weiter.

Ich habe lange darüber nachgedacht und komme zu dem Ergebnis: Ja, ich müsste mich bei einigen Menschen melden, die sicher schon darauf warten. Aber bei den meisten habe ich alles gegeben. Ich helfe, wo ich kann, bin da, höre zu, setze Prioritäten. Und sie sagen trotzdem ja, aber…

Was ist also falsch an mir, frage ich mich. Und ich glaube, es ist dieses Thema Stärke, darüber habe ich ja schon mal geschrieben. Ihre Leben sind schwieriger, stressiger, anstrengender. Ihre Konflikte sind schlimmer und sie müssen mehr kämpfen. Denken sie. Überspitzt gesagt denken sie vielleicht: Sie ist doch stärker als ich. Und sie können sich nicht vorstellen, dass ich sie brauche. Und ich? Ich frage irgendwann nicht mehr nach, wenn ich zu oft vertröstet werde. Kein Ziehen mehr, kein „ich bin doch flexibel, wir kriegen das schon hin“. Denn hey, auch meine Kraft ist endlich. Besonders jetzt.

Keine Sorge.

Wenn du das jetzt liest und dir denkst, ich bräuchte Hilfe: Nein, es ist alles gut, ich bin aufgeräumt. Und ich bin aufmerksam, weil ich ja weiß, dass in dieser Zeit Themen in mir hochkriechen, die mich nicht glücklich machen. Und ich schreibe darüber. Über Tod, Verlust, Vertrauensbrüche und das ultimative Verlassen-werden. Weil es meine Gedanken verlangsamt, während ich nach den passenden Worten suche. Und weil es aufgeschrieben etwas Klares bekommt, etwas Nachvollziehbares. Ich kann Vieles nicht gut erzählen, aber schreiben kann ich es.

Und: Es gibt auch das Abhängen in der Zukunft, ein gutes Zeichen. Denn da gibt es noch viel zu erleben und zu tun. Wie genau meine nächsten Monate aussehen, weiß ich noch nicht. Aber ich freu mich drauf. Und plane mehr Zeit ein für die Menschen, die mich nicht vertrösten. Ich frage mich nur, was passiert, wenn ich aufhöre, bei den anderen nachzufragen.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

6 Antworten

  1. ja, das ist immer traurig, wenn sich Kontakt (fast oder ganz) verlieren … ich weiß da auch nicht weiter … immer nur als einzige Kontakt aufnehmen? Das bin nicht ich. Ich habe Migräne, ich habe auch nicht so viele „Löffel“ für alles. Und dass ich eben deswegen auch viel zu oft SAchen absagen bzw. verschieben muss, hilft der Einsamkeit nicht gerade.

    Was also tun? Aufs Licht im neuen Jahr warten?

    • Ja, das haben wir ja schon unter dem „ja, aber…“-Text diskutiert. Ich weiß es auch nicht, merke aber, dass ich damit einfach besser umgehen kann, wenn ich selbst Kraft und Energie habe. Jetzt im November hänge ich selbst öfter durch und ja, auch ich habe wieder fast jedes Wochenende Migräne-Attacken. Das hilft nicht gerade, wenn man doch eigentlich zugänglich und verständnisvoll sein will (oder muss), um den Kontakt zu halten.

      Vielleicht warten wir wirklich darauf, dass es wieder heller wird und wir mehr Löffel übrig haben. Und wenn uns die Sehnsucht nach genau diesen Menschen übermannen sollte, dann hilft es vielleicht ganz klar zu kommunizieren: Ich vermisse dich.

  2. Du sprichst mir mal wieder aus der Seele… Ich kann zwar nur virtuelle Treffen anbieten, oder Telefonieren, aber wenn Du Lust darauf hast, lass es mich wissen. Gern auch regelmäßig.
    Oder ein neues Bloggespräch über genau dieses Thema von Deinem Artikel hier? Ich bin offen für Ideen und drücke Dich schonmal von hier aus!

    • Ein Bloggespräch über Melancholie? Oder über das Zweifeln? Über Prioritäten? Da müssten wir dann doch irgendwie einen Rahmen fassen, oder? Ich danke dir, dass du mitliest und immer auch das Angebot zum Austausch mitschickst. Diese Form von digitaler Verbundenheit finde ich großartig. Und doch ersetzt sie nicht das Frühstück oder den Spaziergang… Auch so ein Thema fürs Bloggespräch?! 🙂

    • Ja, definitiv! Ich wollte mich erst mal bemerkbar und generell ein Gesprächsangebot machen. Und schon wird ein weiteres Thema daraus. Melde mich gleich nochmal auf dem anderen Kanal. 😉

    • Haha, dann bin ich ja nicht die einzige, die überall Themen sieht. Ich freu mich schon, was dabei rauskommt, dieses Format ist einfach toll!

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