Da gehst du zu einem neuen Arzt, eigentlich ist ja nix, bisschen schlapp, bisschen langsam beim Laufen, dies das. Es gibt ja ab 35 diese jährlichen Checks, die ich bis Corona auch wahrgenommen habe, einmal schauen, ob die Blutwerte okay sind und so. Da ich ja nie krank bin und nie beim Arzt, werde ich ihn auch in Zukunft selten sehen. Aber jetzt, heute, bei unserem Kennenlernen, versucht der Doc herauszufinden, warum ich schlapp bin. Und weil er an den Ergebnissen nix sehen kann, ist es – na klar – der Stress. Als er checkt, ah, sie ist alleinerziehend und selbstständig, eine „One-Woman-Show“ (seine Worte), da fragt er mich natürlich: Wollen Sie nicht eine Mutter-Kind-Kur machen?! Aaaaaahhhhhh!
Also ich will hier gar nichts über den Doc sagen, das ist wirklich ein netter Typ. Und ein bisschen Zeit hat er sich ja auch genommen, noch ein zweites Mal den Blutdruck gecheckt, weil ich, als ich ankam, etwas aus der Puste war, kam ich doch mit dem Rad und hatte mich beeilt. Nein nein, ich kann nicht meckern, ich weiß wohl, dass wirtschaftlich arbeiten als Hausarzt nicht so einfach ist und er sich nicht viel Zeit nehmen kann. Aber einfache Lösungen sind eben auch nicht das, was hilft.
Diese Sache mit der Mutter-Kind-Kur kommt immer wieder auf, seit ich Junior habe. Na klar, voll super, Verpflegung und Bespielung und sich mal nicht um den Haushalt kümmern – ich kann verstehen, warum viele Mütter das gut finden und gern annehmen. Aber es gibt zwei Gründe, warum ich das niemals machen würde.
Erstens halte ich das für keine Lösung, sondern nur eine Verzögerung. Denn was passiert denn, wenn du zurückkommst? Genau. Dann ist alles wieder wie vorher. Wie erholsam sind da ein paar Tage an der See, wenn du danach in deinen stressigen Alltag zurückkommst (ach, und erstmal Wäsche waschen und einkaufen!).
Zweitens: Für mich funktioniert so eine Kur überhaupt nicht. Denn ich habe keinen Urlaub, habe nicht frei. Ich nehme meine Arbeit mit, kann auch nicht einfach so sagen: Tschüss Welt, ich bin dann mal raus. Das heißt: Wenn ich auf eine nette Mutter-Kind-Kur fahre, dann komme ich wieder und der Berg an To-dos und Arbeit ist noch größer als vorher. Und jetzt erklär mir nicht, das sei bloß alles eine Sache von Organisation – nein. Wenn ich Projekte habe und Ergebnisse zugesagt sind, dann gehen die nicht plötzlich weg, bloß weil die Krankenkasse ein paar Tage frische Luft sponsert. Sorry.
Also was ist so eine Kur anderes als ein Puffer, ein Pflaster? Ich könnte das jedenfalls nicht genießen, wenn ich doch wüsste, dass jeder Tag, den ich nichts tue, im Anschluss nur mehr Stress bringt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei anderen groß anders ist. So etwas kann doch keine langfristige Entlastung bringen. Darüber haben andere übrigens ausführlich und besser geschrieben als ich, dass es gerade für Alleinerziehende, die kein System im Rücken haben, andere Hilfen geben müsste als eine dösige Mutter-Kind-Kur. Ist hier ja aber eigentlich gar nicht mein Thema.
Mein Thema war das abgehakt werden. Selbstständig? Läuft gut? Viel zu tun? Allein? Soso. Und ist denn Kontakt zum „Vater“ da? Ja? Ah, schon ein bisschen, hilft aber nix in Erziehungsdingen und die Verantwortung wird auch nicht geteilt. Okay, klar. Und haben Sie mal frei? Ach, ab und zu mal ein, zwei Tage, hm-hm.
Das Ding ist: Ich weiß, dass mein Leben stressig ist. Aber es ist doch schon viel besser geworden. Sieht man es im Vergleich zu 2014 bis 2016 oder 2020/21 ist es doch fast wie Urlaub hier – auch im Alltag. Nur möchte ich nicht in die „übertreiben Sie nicht, das ist doch nur der Stress“-Schublade gesteckt werden, wenn ich anmerke: Es ist nicht normal, dass ich keine Luft mehr für einen entspannten Lauf um die Stauteiche habe. Das ist doch zu einfach.
Mein System ist super, es funktioniert. Gut, dass mein Blut so schön ist und auch sonst auf den ersten Blick alles in Ordnung, schön. Aber „machen Sie mal Urlaub“ ist sicher nicht der Rat, den ich hören muss. Und klar, Alleinerziehende sind sicher nicht die einzigen, die in der Schublade landen. Ach, Sie sind Manager, Führungskraft, viel Verantwortung, lange Arbeitszeiten? Machen Sie doch mal Urlaub. Ah, Sie arbeiten in der Pflege? Kümmern sich um alle, außer Ihnen selbst? Stressiger Alltag? Dazu noch Familie? Urlaub wäre gut.
Scheint mir doch alles etwas kurz gegriffen. Ja, Urlaub wäre gut. Aber wie wäre es denn, wenn wir uns gar nicht erst so verheizen müssten? Ach ja, haben wir uns ja alle so ausgesucht, ich erinnere mich. Sind wir ja selbst Schuld dran. Ich ganz sicher, denn ich habs ja selbst gebaut.
Also weiter. Herz schlägt noch, Lunge klingt gut, Blut ist auch tiptop. Sicher habe ich nur das falsche Mindset, das mich langsamer laufen lässt. Und halt ein stressiges Leben.
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