Es gibt ein paar Menschen, die mich schon seit vielen Jahren begleiten und die nicht nur Einblick in meine beruflichen Prozesse haben, sondern auch eine Ahnung davon, was in meinem Privatleben so passiert. Einer dieser Menschen sagte mir neulich, es sei okay, wenn ich gerade müde bin (das bin ich ja öfter) und die Phase länger als sonst andauert. Denn immerhin sei ich ja seit 10 Jahren über meinem Limit – an Energie, an Kraft, an allem. Die Defizite müsse ich erstmal wieder reinholen. Und das klingt jetzt so dramatisch, dabei ist es das eigentlich gar nicht. Aber es ist was Wahres dran.

Die Erzählung, die ich schon seit Beginn meiner Selbstständigkeit teile und immer weiterführe, ist ja die: Es geht immer weiter. Dabei bleibe ich auch, und wenn mich jemand fragt „was machen wir denn jetzt?“, dann sage ich: Weiter. Ein Schritt nach dem anderen. Miese Stimmungen, Müdigkeit, Stress, zwischendurch mal Panik und Verzweiflung, alles normal, alles Teil des Prozesses. Teil des Lebens. Was mir hilft: Ich erzähle mir selbst auch die andere Geschichte, mit dem Blick von der anderen Seite. Ich habe Glück, ich habe Gesundheit, ich habe Unterstützung, ich habe Bildung, ich habe Biss, ich habe meine Erfahrungen und meine Geschichte. Das hilft.

Bloß… Wenn man immer nur auf den nächsten Schritt schaut und wie viel Kraft man gerade zur Verfügung hat, dann bleibt die langfristige Perspektive vielleicht auf der Strecke und dann hat meine Freundin recht, wenn sie sagt: Du erholst dich nicht.

Denn klar, es ist lange her, seit ich maximal 4 Stunden Schlaf pro Tag zur Verfügung hatte und trotzdem einen Uni-Abschluss gemacht, meine Selbstständigkeit vorangetrieben und meinen Sohn begleitet habe, der damals noch ganz andere Unterstützung brauchte. Es ist echt lange her. Und trotzdem geht es ja nicht spurlos an einem vorbei, wenn man einfach weiterläuft.

Am vergangenen Wochenende hatte ich kindfrei und wie immer habe ich mir eine To-do-Liste geschrieben, es gibt viel zu tun. Aber ich habe fast nichts davon gemacht. Vielleicht, weil der Druck nicht mehr ganz so groß ist wie früher. Oder vielleicht, weil ich ein bisschen Energie aufholen, auftanken wollte. Als ich das meiner Freundin erzählte, hat sie gelacht und meinte nur: Es gibt Leute, die machen immer so Wochenende! Das stimmt, je nach Beruf hat das Leben einfach einen anderen Rhythmus. Darüber habe ich nachgedacht.

Auf meiner Fensterbank stehen die Adventskerzen vom vergangenen Jahr und dazwischen hat eine Spinne ein feines Netz gesponnen. Ich lasse das seit Monaten so, weil es nicht stört. Das Fenster ist geteilt und somit ist es nicht schlimm, dass ich die eine Seite nicht ganz öffnen kann. Junior und ich haben schon mehrfach beobachtet, wie Fliegen dort zum Snack wurden. Es ist faszinierend, dabei zuzuschauen, wie Spinnen sich ihre Vorräte anlegen.

Andere Leute würde dieser Zustand auf der Fensterbank vielleicht verrückt machen, sie würden ihr Wochenende nutzen, um das zu bereinigen und dabei auch gleich die Fenster zu putzen. Aber ich glaube, es ist genau diese Haltung, die mich seit 10 Jahren über Wasser hält. Mich macht eigentlich nichts verrückt, weder die ungewaschene Wäsche, noch die Bücherstapel, noch Spinnen auf der Fensterbank.

Mich machen auch keine Diskussionen auf Social Media verrückt. Wenn ich das immer lese, dass da „der Blockfinger ganz locker sitzt“, dann frage ich mich nicht mehr, wo andere Leute ihre Energie verlieren. Seit Jahren juckt mich das nicht mehr, wenn mich andere Menschen nicht „mögen“ oder mir irgendwas unterstellen, mich verurteilen oder was auch immer. Ich denke mir immer nur: Interessant. Denn das ist es. Es ist interessant, wie sich manche Menschen über andere aufregen, sich erheben über andere, sich in sinnlosen Debatten verlieren, und sich den Frust dann auch noch mit nach Hause nehmen.

Mich macht nur eins noch verrückt. Unklarheit. Die mag ich wirklich gar nicht. Unklarheit in Prozessen, denen ich mich nicht entziehen kann. Da, wo ich Verantwortung trage, nicht weil ich es mir ausgesucht habe, sondern weil ich Teil einer Gruppe, einer Familie, bin. Und das ist irgendwie tatsächlich eine Frage des Alters. Denn früher, mit 20 oder so, da gab es diese Form von Verantwortung nicht. Da hatte ich auf mich selbst aufzupassen, sonst nix. Diese Zeit war zwar auf andere Art und Weise herausfordernd, aber es gab nicht diese Unsicherheit, auf die ich selbst keinen Einfluss habe.

Was aber überwiegt, ist das Schulterzucken. Ich ärgere mich auch mal, wenn Leute sich doof verhalten, aber das ist nur ein Moment, ich nehme das nicht mit, ich nehme das alles nicht persönlich. Auch hier hilft die andere Perspektive: Es gibt so viele Menschen, die mich mögen, die mich begleiten, die mich lesen, die mich unterstützen. Was scheren mich da die paar Blödis, die meinen, ihren Frust an mir auslassen zu müssen? Eben.

10 Jahre über dem Limit, das stimmt vielleicht. Aber es ist mein Leben. Und ich habe so viel gewonnen dadurch, dass es eben nicht leicht war. Ich habe viel gelernt und stehe gefestigt hier, bereit für den nächsten Schritt. Denn irgendwann geht diese Müdigkeit vorbei und dann geht es wieder weiter. Ich erzähle meine Heldengeschichte. Episode für Episode. Die nächste Episode kommt dann, wenn ich sie fertig gelebt habe. Denn in der Krise kann man den roten Faden vielleicht einfach nicht gut sehen. Aber nach hinten schauen geht immer. Und da stecken Energie und Kraft drin.

Du kannst mir übrigens einen Kaffee-Regen schenken, wenn dir danach ist. Weil Geben und Nehmen zusammengehören. Meine Kaffeekasse findest du hier.

Keine Kommentare bislang

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert